cash: Die Notenbanken weltweit fluten die Märkte mit Liquidität in der Hoffnung, die Wirtschaft anzukurbeln. Ist diese Vorgehensweise zielführend?

Konrad Hummler: Die Frage ist, welche Analyse dahintersteckt. Ist es eine Frage der Bereitstellung von Liquidität für den Finanzsektor, oder ist es eine Frage der Solvenz?

Wie lautet ihre Antwort?

Während der Finanzkrise herrschte in der Tat ein akuter Liquiditätsmangel und die Notenbanken haben zu Recht Geld ins System gepumpt, um einen Kollaps des Finanzsystems zu vermeiden. Das Solvenzproblem der Staaten wurde dadurch aber nicht gelöst. Im Gegenteil, die expansive Geldpolitik hemmt die Entschuldung der Staaten und dies wiederum bremst die Investitionsfreudigkeit der Unternehmen. Die Investoren halten sich zurück, weil sie nicht abschätzen können, wohin diese Billiggeldpolitik letztendlich führen wird.

Aber die expansive Geldpolitik hat doch Ruhe ins System gebracht...

Natürlich. Denken Sie zum Beispiel an den Draghi-Put. Aber das Problem wird nicht an den Wurzeln angepackt. Kann ein gesundes Wirtschaftswachstum auf einem solch dicken Schuldenboden gedeihen? Ich habe da meine Zweifel. Der Prozess der Entschuldung müsste endlich hartnäckiger angestossen werden. Ich halte es mit der österreichischen Schule à la Schumpeter, die besagt, dass ein gesundes, nachhaltiges Wirtschaftswachstum nur auf einem finanziell gesunden Boden gedeihen kann.

Kritiker entgegnen: Mit Schuldenabbau würgt man das fragile Wirtschaftswachstum in der Eurozone ab.

Was nützt uns ein Wirtschaftswachstum, das immer künstlich beheizt wird und nicht intrinsisch wächst? Man sieht es ja in Japan, wohin eine solche Politik führt. Während 25 Jahren sind die Zinsen im Keller, das System wurde mit zig Milliarden Yen bis übers Dach geflutet. Wachstum wurde aber keines generiert. Die japanische Geld- und Wirtschaftspolitik ist im wesentlichen eine Abwertungs- und eine Aufrüstungspolitik. Gerade die Folgen der Aufrüstungspolitik werden unterschätzt.

Die USA zeigen seit einigen Monaten ein solides Wirtschaftswachstum. Wird dieses überbewertet?

Die USA kommen aus einer Krise, und die Wirtschaft wächst nun mit etwa 3 Prozent. Dies ist aber eher moderat im Vergleich zu früheren Nach-Krisen-Stadien. Man muss auch sehen, in den USA werden vor allem Tieflohnjobs geschaffen. Die ganz grossen Probleme sind nicht gelöst. Die implizite Verschuldung der USA ist gigantisch und wird nicht ausgewiesen. Investoren wissen das, und halten sich deshalb mit Investitionen zurück.

Immer mehr Marktbeobachter fürchten Blasen an den Finanzmärkten. Sie auch?

Ich bin diesbezüglich vorsichtig. Im langfristigen Vergleich sind die Aktienmärkte nicht überbewertet. Es hat also noch Raum nach oben. Und die Bilanzen der Unternehmen sind überwiegend gesund. Es gibt also nicht nur Alarmzeichen. Auch ist die aktuelle Situation nicht mit jener vor dem Platzen der Dotcom-Blase oder vor der Lehman-Krise vergleichbar.

Somit sollen Anleger in den Aktienmärkten drin bleiben?

Es gibt kaum eine Alternative. Für mich ist die Aktie ein Langfristinvestment, mit dem Charme eines Realwertcharakters, und zwar in diesem Sinne, dass gute Firmen fähig sind, künftig Cashflow generieren zu können.

Nennen Sie uns ihre Lieblingsaktien?

Ich hab sehr grosse Freude an meiner Beteiligung am Börsenneuling SFS. Zwar gilt der Schraubenhersteller nicht als 'fancy' Investment. Aber in jedem Handy stecken durchschnittlich 26 Schrauben. Die Schrauben werden alle in Heerbrugg produziert. Die Fähigkeit, dass ein Schweizer Unternehmen in einem solch kompetitiven Markt bestehen kann, ist faszinierend. Deshalb mag ich diese Aktie.

Gibt’s noch weitere Favoriten?

Ich bin eher zurückhaltend mit der Nennung von Lieblingstiteln. Aber Anleger sollten sich mal die Versorger anschauen, die haben stark gelitten. Strom und Wasser wird man immer benötigen.

Mit welcher Anlagephilosophie sind sie in Ihrer Karriere am besten gefahren.

Der Wohlfühlfaktor ist mir bei Investments besonders wichtig. Das heisst, die Unternehmensführung muss mir zusagen und transparent arbeiten. Das Businessmodell der Gesellschaft muss greifbar sein. Und ich lasse die Hände von Unternehmen, die sich in Sondersituationen wie Monopolstellungen befinden. Das hat sich noch nie bewährt, wie die Historie beweist.

 

Das Gespräch mit Konrad Hummler fand im Rahmen des 44. St. Gallen Symposium statt. Hummler (61) ist Jurist und Ökonom. Er war von 1991 bis 2012 geschäftsführender Teilhaber von Wegelin & Co., der ältesten Privatbank der Schweiz, die sich in Abwicklung befindet. Anfang Jahr kaufte Hummler das Hotel Krone in Speicher (AR), das derzeit renoviert wird. Die Eröffnung ist laut Hummler im März 2015 geplant.