cash: Herr Thommen, seit Anfang Jahr hat das Vermögen im Schweizer Fondsmarkt um 5 Milliarden Franken abgenommen. Was sind die Gründe für diesen Rückgang?

Martin Thommen: Im Vergleich zu den über 700 Milliarden, die in der Schweiz in Fonds investiert sind, ist dieser Rückgang von weniger als einem Prozent alles andere als dramatisch, gerade in einem solch unsicheren Umfeld, wie wir es momentan erleben. Man muss berücksichtigen, dass der Dollar und der Euro gegenüber dem Schweizer Franken schwächer geworden sind. Kommt hinzu, dass wir einen leichten Zinsanstieg erlebt haben, der die Obligationenpreise nach unten gedrückt hat. Somit haben Fixed-Income-Portfolios an Wert verloren. Das wurde aber einigermassen ausgeglichen durch den Wertzuwachs bei den Aktien. Entscheidend war schlussendlich, dass wir im Juni deutliche Mittelabflüsse sahen. Ausgelöst wurden diese durch die aufflammenden Unsicherheiten an den Aktienmärkten und die gestiegenen Zinsen.

Der SMI hat sich in diesem Jahr um mehr als 15 Prozent verbessert. Die Vermögen in Aktienfonds sind hier in der Schweiz aber nur um etwa 10 Prozent gestiegen. Ist das nicht etwas enttäuschend?

Es gibt viele Aktienmärkte, die in diesem Jahr nicht gut performt haben, beispielsweise die Emerging Markets. So gesehen ist der SMI eine Ausnahmeerscheinung. Auch hier spielen die schwächeren Währungen wieder eine Rolle. Und wir haben im letzten Monat bei den Aktien tatsächlich Abflüsse erlebt, weil die Kunden der Sache nicht mehr trauen.

Fed-Entscheid, schwache Schwellenländer, Euro-Krise - momentan stehen verschiedene Unsicherheiten im Raum. Wie sieht unter diesen Umständen ein ausgewogenes Portfolio aus?

Man darf Aktien auf keinen Fall vergessen. Wir haben momentan die gefährliche Situation, dass sich Fixed-Income-Kunden in falscher Sicherheit wiegen. Und zwar weil sie automatisch davon ausgehen, dass Investitionen in Obligationen sicher sind und damit kein Geld verloren werden kann. Viele Leute verstehen nicht, wie sich ein möglicher scharfer Zinsanstieg auf das Portfolio auswirken würde. Dort liegt unsere grosse Herausforderung. Wir müssen die Kunden darauf aufmerksam machen, dass ein zu starker Fokus auf Obligationen eine falsche Sicherheit darstellt. Gerade deshalb sollte ein Portfolio möglichst breit aufgestellt sein. Eine breit gestreute Auswahl an Aktien gehört genauso dazu wie Unternehmensanleihen. Ich würde einen traditionellen 'balanced' Strategiefonds vorschlagen, um durch unsichere Zeiten zu kommen.

Wie würden Sie die einzelnen Anlagekategorien gewichten?

Das hängt grundsätzlich vom Kunden ab. Wie viel Risiko will er eingehen, was sind seine finanziellen Möglichkeiten? Wer ein bisschen risikobereit ist und einen längeren Anlagehorizont hat, dem empfehle ich etwa 50 Prozent in Obligationen und 50 Prozent in Aktien. Dabei sollten sämtliche Obligationenkategorien abgedeckt sein, also auch 'High Yields', Unternehmensanleihen oder Schwellenländer. Auch die Aktien sollten über die ganze Welt verteilt sein. Wer weniger Risiko auf sich nehmen will, setzt dementsprechend die Aktiengewichtung auf 25 Prozent herunter. Wichtig ist, dass der zuständige Vermögensverwalter aktive, taktische Entscheidungen fällt. Ein Portfolio einfach liegen zu lassen, ist in einem bewegten Umfeld nicht zu empfehlen.

Sehen diesbezüglich einen Vorteil von Anlagefonds gegenüber ETF?

Absolut. Ich sehe hier aber auch eine Zukunft für das ETF-Geschäft. Vermögensverwalter verwenden immer mehr ETF zum Aufbau ihrer Portfolios. Denn sie schaffen den Mehrwert durch die Strukturierung des Vermögens und nicht durch ein Produkt, das beispielsweise bloss ein halbes Prozent besser ist als der Benchmark.

Wie sieht denn Ihr persönliches Portfolio aus?

Einen grossen Teil halte ich in breit diversifizierten Fonds. Dann interessieren mich gewisse Themen. Momentan bin ich in Schwellenländer übergewichtet, weil ich glaube, dass dort wieder Aufholpotenzial vorhanden ist. Zudem habe ich vor einem halben Jahr über einen ETF Gold gekauft. Ein bisschen zu früh allerdings, aber Gold passt immer in ein Portfolio.

Von wem lassen Sie sich beraten?

Ich habe meinen Kundenberater, mit dem ich mich gerne austausche. Er hat mir schon wichtige Hinweise gegeben. Denn auch ich habe manchmal Klumpenrisiken, die nicht in ein Portfolio gehören. Ich hatte einmal deutlich zu viele UBS-Aktien, und er hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass das ein zu grosses Risiko ist. Ich habe es zwar fast nicht übers Herz gebracht, sie zu verkaufen. Aber von einem Portfolio-Kontext her hat es Sinn gemacht.

Vor einem halben Jahr forderten sie die Anleger zu mutigerem Investieren auf. Stehen Sie immer noch hinter diesem Aufruf?

Aber klar. Wenn ich von der wirtschaftlichen Entwicklung vernünftig profitieren will, dann komme ich an Aktien nicht vorbei. Anleger sollten sich einen Ruck geben und auch in Aktien investieren. Wer das nicht will, setzt wohl besser alles auf Bargeld als alles auf Obligationen.

Stichwort Syrien-Konflikt: Ist momentan der richtige Zeitpunkt, um mehr Risiko einzugehen?

Es gibt nie den richtigen und immer den richtigen Zeitpunkt für eine Investition. Wer ein Portfolio aufsetzt, muss die aktuellen Ereignisse ausblenden. Denn schon morgen früh kann alles ganz anders aussehen. Wichtig ist die Frage nach der grundlegenden Risikobereitschaft und eine möglichst breite Diversifizierung der Portfolios. Weiter ist wichtig, nicht alles aufs Mal, sondern gestaffelt zu investieren. Schliesslich rate ich von kurzfristigen Investitionen ab, Geduld ist entscheidend.

Zum Schluss eine langfristige Einschätzung: Schafft es der SMI auf Dauer, sich über 8000 Punkten zu halten?

Davon bin ich überzeugt. Die Schweizer Unternehmen sind solid, ihre Gewinne ebenfalls. Ich sehe keinen Anlass, wieso er das über die Dauer nicht schaffen sollte. Auch bei den internationalen Problemen bin ich zuversichtlich. Das Gröbste ist wohl überstanden.

Im cash-Video-Interview äussert sich Martin Thommen ausserdem zur Namensänderung des Fondsverbands und zur Konkurrenz von ETFs.

Martin Thommen ist seit über 30 Jahren in der Fondsbranche tätig. Bei der UBS leitet er das Fondsgeschäft. Zudem präsidiert er seit 2009 den Anlagefondsverband Swiss Funds & Asset Management Association (SFAMA) und ist Mitglied des Verwaltungsrats des europäischen Fondsverbands (EFAMA).