Die Stimmung an der Wall Street hat sich in der vergangenen Woche von Inflationsängsten hin zu Wachstumssorgen verschoben. Am Montag verstärkte sich das Thema mit schwachen Zahlen aus China.

Angesichts des nach wie vor grassierenden Inflationsdrucks sieht kaum jemand die Renditen auf den wichtigsten Märkten der Welt am Höhepunkt. Doch werden Bonds nun wieder als Absicherungsstrategie gesehen, falls die aggressive Straffung der US-Notenbank einen Abschwung im Konjunkturzyklus auslöst, der sich auf die weltweiten Märkte ausbreitet.

“Wir haben gerade erst begonnen, Treasuries zu kaufen”, sagt Mark Holman, Partner bei TwentyFour Asset Management, einer in London ansässigen Investmentfirma, die auf festverzinsliche Wertpapiere spezialisiert ist. “Ich bin froh, dass die Renditen von Staatsanleihen so stark angestiegen sind, denn ich weiss, dass wir sie brauchen werden, weil wir uns in einem späten Zyklus befinden.”

Auch Bundesanleihen haben sich jüngst wieder erholt, könnten allerdings anfälliger sein, da die Europäische Zentralbank erst langsam anfängt, die lockere Geldpolitik zu beenden. Doch Strategen wie jene der Citigroup Inc. sehen wegen der Wachstumssorgen die Umkehr des Bund-Ausverkaufs vorerst weitergehen.

Weltweit sind Bonds deutlich gefallen

“Staatsanleihen können nun Risiken in anderen Bereichen ausgleichen”, sagte Howard Cunningham, Fixed Income Manager bei BNY Mellon Investment Management. Auch wenn er nicht auf eine Trendumkehr setzen würde, erfüllten Bonds inzwischen zumindestens wieder die Rolle, gegenläufig zu Aktien zu sein.

US-Treasuries haben bis Ende letzter Woche 8,8% zum Jahresanfang verloren und sind auf Kurs, zum ersten Mal seit mindestens fünf Jahrzehnten zwei Jahre in Folge nachzugeben. Weltweit sind Bonds gemäß einem Bloomberg-Index um mehr als 12% gefallen. Allerdings ist die Rendite 10-jähriger Treasuries seit dem Höchststand von 3,2% am 9. Mai wieder um 30 Basispunkte gefallen. Gleichzeitig sind Aktienkurse wegen des Kriegs in der Ukraine und der Covid-Lockdowns in China stark gefallen. Beides setzte sich am Montag wegen schlechter Industriedaten aus China fort.

Candriam und AXA Investment Managers gehören zu den Anlegern, die US-Schuldtitel derzeit für besser geeignet halten als Bundesanleihen, weil die Federal Reserve der EZB bei der Straffung der Geldpolitik voraus ist. "Wir fangen an, über den Kauf von Treasuries nachzudenken", sagt Nicolas Forest, Leiter des Bereichs Global Fixed Income bei Candriam. "Die US-Renditen sind fairer bewertet, weil der Zinserhöhungszyklus bereits im Gange ist. In Europa sind wir definitiv im Verzug". Die deutsche Rendite für Bundesschätze, die am Freitag bei 0,11% lag, sei "zu niedrig", da der Einlagensatz bis zum Jahresende bei 0,25% liegen könnte.

Die Europäische Zentralbank wird voraussichtlich erst im Juli mit der Erhöhung der Zinsen beginnen, und Händler erwarten für mindestens die nächsten vier Jahre keine Senkungen. Unterdessen glaubt Gary Pollack von der Deutschen Bank, dass der Ausverkauf von Staatsanleihen angesichts des anhaltenden Preisdrucks noch nicht vorbei ist.

“Wir erwarten zwar einen Rückgang der Inflation, aber die Frage ist, ob die Märkte mit dem Level zufrieden sind, auf dem sie sich einpendelt”, sagte der Leiter des Bereichs Fixed Income für Private Wealth Management. “Deshalb zögere ich ein wenig, jetzt wieder zu sagen, lasst uns kaufen.”

(Bloomberg)