Eine Liste mit Reformvorschlägen der griechischen Regierung ist am Dienstag in Brüssel angekommen. Damit ist der Schuldenstreit zwischen Griechenland und seinen Europartnern aber nicht gelöst. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem etwa sieht noch einen langen Weg, um mit Athen zu einer Einigung zu kommen, damit das Hilfsprogramm für Griechenland verlängert wird. Es scheint also noch alles möglich in der griechischen Tragödie.

"Mir wäre es mir lieber, die griechische Regierung würde zur Vernunft zurückkehren, wachstumsorientierte Reformen fortsetzen und dann in der Eurozone bleiben", sagt Prof. Clemens Fuest, Direktor des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (kurz: ZEW), im cash-Video-Interview am Rande des Institutional Money Kongress in Frankfurt.

Politisch hoch riskant

Fuests grosse Bedenken eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone sind die politisch schwer einschätzbaren Folgen für die Eurozone und die Europäische Union insgesamt. "Politisch wäre ein solcher Austritt überhaupt nicht überschaubar, sondern hoch riskant", so Fuest weiter. Die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen eines "Grexit" wären laut dem ZEW-Direktor dagegen vermutlich überschaubar. "Das hängt damit zusammen, dass die Gläubiger vor allem andere Staaten sind und nicht etwa Banken, die zusammenbrechen könnten."

Happig sind die Beträge, welche die anderen Eurostaaten aufgrund eines Abschieds Griechenlands abschreiben müssten. Allein Deutschland müsste seine Forderungen gegenüber Griechenland in Höhe von zirka 70 Milliarden Euro abschreiben. Bei Italien beträgt die Summe 40 Milliarden Euro.

Laut Fuest sind die Chancen eines Grexit von nahezu Null auf mindestens um die 20 Prozent gestiegen. "Klar, der Wunsch eines Austrittes müsste von Griechenland selber kommen Aber wenn die EZB die griechischen Banken nicht mehr finanzieren würde, wäre das Land quasi gezwungen, auszutreten", sagt Fues im cash-Interview. "Man kann sich auch vorstellen, dass es einen Übergangsstatus gäbe, indem das Land quasi eigene kurzlaufende Anleihen emittiert, die dann als Geld funktionieren. Letzten Endes kann man das Land also schon zwingen, aus der Eurozone auszutreten."

Union souveräner Staaten

Die Eurozone wäre dann sicherlich erschüttert, der politische Erfolg des Projektes wäre in Frage gestellt, so Fuest weiter. "Auf der anderen Seite könnte man argumentieren, dass Griechenland ein Spezialfall ist. Es war immer klar: Die Eurozone ist eine Währungsunion souveräner Staaten. Diese funktioniert nur, wenn sich alle an die Spielregeln halten." Die Eurozone könnte am Ende sogar stabiler dastehen, "das ist aber nicht gewährleistet", sagt Fuest.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ist vor allem bekannt für seinen ZEW-Konjunkturindex. Dabei werden rund 400 Analysten und institutionelle Anleger nach ihren mittelfristigen Erwartungen bezüglich der Konjunktur- und Kapitalmarktentwicklung befragt. Fuest wird neuerdings als möglicher Nachfolger von Hans-Werner Sinn als Chef des Münchner Ifo-Instituts gehandelt. Sinn geht im März 2016 in Pension.

Wahl zwischen Pest und Cholera

Gegenüber cash äussert sich Fuest auch zur Aufhebung der Kursuntergrenze durch die Schweizerische Nationalbank. "Die Schweizer Geldpolitik war in einer schwierigen Lage und hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder weiter Euro aufkaufen und hohe Verluste riskieren, oder die Aufwertung hinnehmen", so Fuest. "Ich denke, die Nationalbank hat die richtige Entscheidung gefällt, obwohl sie natürlich gravierende Auswirkungen auf die Exportwirtschaft hat und auch für den Tourismus negativ ist." 

Aber schliesslich sei der starke Franken der zu bezahlende Preis eines Landes, in das sich gerne das Kapital zurückziehe und eine Währung habe neben einem Wirtschaftsraum, "der wirtschaftlich ganz anders läuft."

Im cash-Video-Interview äussert sich Clemens Fuest auch zu Gefahren eines Abwertungswettbewerbs von Währungen.