Die Märkte reagieren derzeit wieder einmal verunsichert auf die Vorgänge im Weissen Haus. Sichere Anlagehäfen wie Staatsanleihen von Ländern mit hoher Bonität, Gold oder der Franken haben Zuspruch. Denn zwei Ereignisse haben die Amtsenthebungs-Theorien um Donald Trump wieder aufleben lassen: Die Entlassung von FBI-Direktor James Comey letzte Woche sowie Berichte, der Präsident habe dem russischen Aussenminister Geheimnisse verraten.

Dies hat zu schwerwiegenden Vorwürfen gegen Trump geführt, wobei die Sachlage nicht eindeutig ist. Die Comey-Entlassung ist politisch heikel, war aber legal. Über das Gespräch mit der russischen Delegation gibt es bisher nur verschiedene Versionen. Folgende Punkte sind in der jetzigen Lage wichtig:

Gibt es bald ein Impeachment?

Trump und sein Machtzirkel im Weissen Haus geraten durch die jüngsten Ereignisse ernsthaft unter Druck. Ein Impeachment (Amtsenthebungsverfahren) durchzuführen ist allerdings ein sehr kompliziertes Prozedere und erfordert vor allem stichhaltige juristische Beweise für ein Fehlverhalten des Präsidenten und seines Umfelds. Ein Impeachment würde vor allem dann eingeleitet, wenn das republikanische Partei-Establishment zum Schluss käme, dass es den Präsidenten loswerden will.

Eine schwere republikanische Niederlage bei den Mid-Term-Elections am 6. November 2018 könnte diesen Prozess auslösen. Dass prominente Figuren wie Senator John McCain jetzt schon den Präsidenten angreifen, ist nicht per se ein Zeichen für Impeachment-Pläne: In der US-Politik kritisiert man sich immer auch innerhalb der eigenen Partei. So laufen die Dinge in Washington nun einmal.

Kann Trump von sich aus zurücktreten?

Nach 100 Tagen im Amt sagte Trump vor Journalisten: "Ich wünsche mir mein altes Leben zurück." Als Immobilienmilliardär in seinem goldglänzenden New Yorker Apartment habe ihm das Leben mehr Spass gemacht, und er habe sich freier bewegen können. Als Präsident kann er nicht spontan in ein Restaurant gehen und darf nicht selber autofahren. Das Sicherheitsdispositiv ist enorm.

Ob dies nun ein Zeichen für frühe Amtsmüdigkeit ist, ist reine Spekulation. Langjährige private Freunde Trumps wie der britische Journalist Piers Morgan sagten, der nunmehrige Präsident sei weder faul noch körperlich müde.

Ist ein Rücktritt realistisch?

Es gibt durchaus die Theorie, Trump habe im Herzen nie Präsident werden wollen und sich stattdessen vor allem in der Rolle des Volktribuns und aufrührerischen Wahlkämpfers gefallen. Die Menge an "Executive Orders" nach der Amtseinsetzung im Januar zeigt aber, dass Trump durchaus Lust an der Macht hat.

Nur erlaubt ihm das System kein Durchregieren: Die Einreisebeschränkung für Muslime aus bestimmten Ländern wurde von Gerichten blockiert; Für die Abschaffung von Obamacare, dem Gesundheitsversorgungssystem seines Vorgängers, fehlt bisher ein eindeutiger Wille der Republikaner im Parlament.

Möglich wäre, dass es Trump eines Tages leid wird, den langwierigen und windungsreichen Weg der Washingtoner Politik durchlaufen zu müssen. Nur: Über Trumps mutmassliches Innenleben wird zwar ausserordentlich viel geschrieben, aber kaum jemand weiss Bescheid, wie er wirklich tickt. Daher ist die Erwartung, dass Trump eines Tages den Bettel hinwirft, schlicht Spekulation.

Gäbe es Neuwahlen, wenn Trump als Präsident abtritt?

Weder eine erzwungene Amtsenthebung noch ein Rücktritt aus eigenen Motiven heraus würden Neuwahlen für das Präsidentenamt bedeuten. Auch eine Ungültigerklärung der Wahlen vom 8. November 2016 ist höchst unwahrscheinlich, zumindest gab es dies in der Geschichte des amerikanischen Rechts noch nie.

Geht Trump, wird automatisch der republikanische Vizepräsident Mike Pence Staatschef. Sollte etwa Hillary Clinton noch einmal versuchen wollen, Präsidentin zu werden, müsste sie so oder so bis zur nächsten Präsidentschaftswahl 2020 warten. Die nächsten Mid-Term-Elections für den Kongresss finden unabhängig davon 2018 statt. Ein Drittel der Senatoren und das ganze Repräsentantenhaus werden dann planmässig neu gewählt.

Wie würden die Märkte auf einen Rücktritt reagieren?

Die Reaktionen der Finanzmärkte im Zusammenhang mit Trump sind unstet. Vor der Wahl galt Trump als Schreckgespenst für Anleger. Kaum war er gewählt, zogen nach einer kurzen Panik-Sekunde die Aktienkurse weltweit an, und die Indizes legen jetzt noch weiter zu. Der Dow-Jones-Index hat seit Trumps Wahl gegen 20 Prozent gewonnen.

Ein einschneidendes Ereignis wie ein Rücktritt oder eine Amtsenthebung würden für Ungewissheit und für eine Lähmung der amerikanischen Staatsspitze sorgen. Vor allem eine Amtsenthebung würde sich monatelang hinziehen und immer neue Unabwägbarkeiten auslösen. Zudem müsste sich ein Präsident Pence 2020 der Wiederwahl stellen und hätte vorher unter Umständen Schwierigkeiten, eine kohärente Wirtschaftspolitik einzuführen.

Ein eigentlicher Auslöser eines Crashes an den Märkten wäre ein Trump-Rücktritt dennoch nicht, denn das Funktionieren des Staates und seines Apparats wäre weiter gewährleistet. Zudem sind die Fundamentaldaten der US-Wirtschaft nach wie vor gut.

Wichtiger ist für die Entwicklung der Finanzmärkte derzeit die Frage, ob es zu einer Steuerreform kommt, wie sie Trump angekündet hatte. Bekanntlich will Trump die Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent senken und hat mit diesem Vorhaben grosse Erwartungen bei Investoren ausgelöst. Damit würden die Gewinne von US-Unternehmen höher ausfallen.

Hier schlummert das grösste Enttäuschungspotenzial. Scheitert dieses Vorhaben komplett, droht den Finanzmärkten tatsächlich ein arger Dämpfer - unabhängig davon, wer in der laufenden Legislatur Präsident ist.