ngesichts schwindender Zustimmung für die CSU rückt im bayerischen Landtagswahlkampf die Frage nach einer künftigen Regierungskoalition in den Vordergrund. Seit einem halben Jahrhundert regiert die CSU das nach Einwohnern zweitgrösste deutsche Bundesland fast ununterbrochen allein, doch bei der Wahl am 14. Oktober muss sie Umfragen zufolge mit dem Verlust der absoluten Mehrheit rechnen.

Und so machen Überlegungen die Runde, wer künftig mit der CSU regiert, die mit Abstand stärkste Fraktion bleiben dürfte. Neben den Landtagsparteien CSU, SPD, Grüne und Freie Wähler haben auch FDP und AfD gute Aussichten, in das Münchner Parlament einzuziehen. Dass die CSU mit der AfD koalieren könnte, wie zuletzt spekuliert wurde, erscheint allerdings unwahrscheinlich.

In Umfragen dümpelt die CSU seit Monaten bei Werten um 40 Prozent und rutschte in einer Erhebung sogar auf 36 Prozent ab. Einer der Hauptgründe ist, dass die selbst konservative CSU bei rechtsgerichteten Wählern Boden an die AfD verliert. Ministerpräsident Markus Söder hat als CSU-Spitzenkandidat von vornherein darauf verzichtet, eine Verteidigung der Regierungsmehrheit oder auch nur einen Prozentwert als Ziel auszurufen. Doch über denkbare Koalitionspartner will Söder ebenfalls nicht sprechen. Ausgeschlossen seien für die CSU Koalitionen mit AfD und Linkspartei. Ziel sei es, so stark wie möglich zu werden, wiederholt der 51-Jährige hartnäckig.

«Konservativer Aufbruch»

Und so reden andere über die Machtoptionen im Herbst. Für Aufsehen sorgte ein nordbayerischer CSU-Kommunalpolitiker, der ein Bündnis mit der AfD ins Spiel brachte. Falls die CSU ihre Mehrheit verliere, solle sie "über eine Koalition mit der AfD nachdenken", forderte der Erlanger Stadtrat Stefan Rohmer auf der Facebook-Seite des "Konservativen Aufbruchs Mittelfranken". Rein rechnerisch scheint die Idee plausibel: Die Umfragewerte der AfD von zwölf bis 14 Prozent addieren sich mit jenen der CSU auf rund 50 Prozent.

Die Resonanz in der CSU war jedoch eindeutig, nicht nur in der Parteispitze. Der Bezirkschef aus Erlangen und bayerische Innenminister Joachim Herrmann bezeichnete Rohmers Äusserung als "indiskutabel und absurd". Dabei steht Herrmann mit einem harten Kurs in der Flüchtlingspolitik bei Kritikern selbst in dem Ruf, AfD-Positionen zu kopieren. Andere Vertreter des "Konservativen Aufbruchs", einer inoffiziellen CSU-Gruppierung, distanzierten sich ebenso von Rohmers Forderung wie örtliche Weggefährten.

AfD will nicht Steigbügel halten

Selbst die AfD reagierte verhalten. Man werde sich Koalitionsgesprächen nur dann nicht verschliessen, wenn die CSU Kernforderungen der AfD übernehme, sagte Landeschef Martin Sichert zu Reuters. Die CSU, die nach eigenem Bekunden bereits ein Maximum an Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze durchgesetzt hat, müsse für lückenlose Kontrollen und Zurückweisungen von Flüchtlingen sorgen. Zuständig ist der Bundesinnenminister, CSU-Chef Horst Seehofer. Als Bedingungen nannte Sichert aber auch einen Austritt der CSU aus der Bundesregierung, um Kanzlerin Angela Merkel zu stürzen, und einen Neuanfang der CSU ohne Söder und Seehofer.

Wer in der bayerischen AfD das Sagen hat, ist allerdings nicht eindeutig. Wie die Bundespartei und andere AfD-Landesverbände hat sie sich in erbitterten Flügelkämpfen zerstritten. Der Bundestagsabgeordnete Sichert ist bereits der vierte Landesvorsitzende seit der Gründung vor fünf Jahren. Es gelang der AfD nicht, einen landesweiten Spitzenkandidaten aufzustellen. Statt dessen stritt sie mit dem Anwärter Franz Bergmüller vor Gericht über dessen geplanten Parteiausschluss. Landesvizechefin Katrin Ebner-Steiner klagte selbst über Intrigen in der Partei und erklärte zudem, die AfD werde sich nicht als Juniorpartner zum "Steigbügelhalter" der CSU machen.

Erbitterte Auseinandersetzung

Auch wenn in der bayerischen Politik traditionell mit harten Bandagen gekämpft wird, stellt die Auseinandersetzung von CSU und AfD das Gewohnte in den Schatten. Während die CSU SPD und Grüne als Gegner akzeptiert, spricht sie der AfD die Existenzberechtigung ab: Rechts der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben, lautet das mit Blick auf die AfD wieder oft zitierte Credo des 1988 verstorbenen Parteichefs Franz Josef Strauss.

CSU-Generalsekretär Markus Blume bezeichnete die AfD als "braunen Schmutz" und "Feind von allem, für das Bayern steht". AfD-Politiker wiederum kaperten sich den in der CSU wie ein Heiliger verehrten Übervater und plakatierten "Franz Josef Strauss würde die AfD wählen". Kommunalpolitiker, die von der CSU zur AfD gewechselt sind, werden CSU-intern als "Verräter" gebrandmarkt.

Kaum vorstellbar erscheint auch, das der liberale CSU-Flügel eine Annährung an die AfD dulden würde. Prominenten Wortführern wie dem CSU-Vizechef und Europapolitiker Manfred Weber gehen selbst der rechtskonservative Kurs von Söder und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zu weit. An der Basis empören sich Mitglieder der informellen CDU/CSU-Gruppierung "Union der Mitte" bereits jetzt über die harte Flüchtlingspolitik der CSU.

«Freie Wähler» auf dem Weg in die Regierung

Als Wunschpartner werden in der CSU hinter vorgehaltener Hand die Freien Wähler und die FDP genannt. Beide vertreten ähnliche bürgerlicher Positionen wie die CSU und haben sich selbst ausdrücklich für eine Koalition empfohlen. Von den Freien Wählern, die in Umfragen auf Werte um acht Prozent kommen, hat die CSU wiederholt landespolitische Forderungen wie die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums übernommen. Mit der FDP, die die Fünf-Prozent-Hürde knapp überspringen könnte, regierte die CSU schon einmal von 2008 bis 2013.

Auch die Grünen, die in Umfragen mit rund 15 Prozent zweitstärkste Kraft sind, streben eine Regierungsbeteiligung an. In der CSU hat sich das Verhältnis zu den Grünen seit den Koalitionssondierungen im Bund merklich entspannt. Nachdem sich Union und Grüne im Herbst 2017 zur Überraschung vieler CSU-Politiker näher gekommen waren, scheiterte das geplante Jamaika-Bündnis an der FDP. Als schwieriger gilt in Bayern das Verhältnis von CSU und SPD, die in Umfragen mit rund zwölf Prozent nur auf den vierten Platz kommen könnten.

(Reuters)