EU-Chefunterhändler Michel Barnier sagte am Dienstag in Brüssel, er erwarte "sehr schwierige" Gespräche. "Wir sind bereit", erklärte der Franzose, nachdem die 27 EU-Staaten detaillierte Vorgaben für seine Verhandlungen beschlossen hatten. "Aber wir werden diesen Vertrag nicht um jeden Preis schliessen."

Die Europäische Union besteht auf Fairness und klare Regeln im Umgang mit dem Vereinigten Königreich, das Ende Januar aus der EU ausgetreten war. Fast zeitgleich mit dem Beschluss der Europaminister in Brüssel verabschiedete auch das britische Kabinett sein Verhandlungsmandat. Bereits am Montagnachmittag wird Barnier sich dann nach eigenen Angaben zu einer ersten Verhandlungsrunde mit den Briten in Brüssel treffen. Denn die Zeit drängt: Der britische Premierminister Boris Johnson will die bis zum Jahresende laufende Brexit-Übergangsphase auf keinen Fall verlängern.

Ein britischer Regierungssprecher sagte, London wolle die "wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit" Grossbritanniens zum Ende dieses Jahres wiederherstellen. Barnier wies diese Aussage zurück: Die Briten seien seit ihrem Austritt aus der EU unabhängig und niemand stelle das in Frage. Bei den Verhandlungen gehe es jetzt darum, ob sie mit oder ohne Handelsabkommen gehen.

Die Pressestelle der britischen Regierung kritisierte auch, Brüssel habe bei den Verhandlungen mit den USA über das inzwischen auf Eis gelegte Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP keine vergleichbaren Forderungen gestellt. Das Verhältnis zwischen Grossbritannien und der EU sei jedoch ein völlig anderes, hielt Barnier dem entgegen: "Die Entfernung zwischen Calais und Dover beträgt 34 Kilometer." Verglichen etwa mit Kanada sei ausserdem der Warenaustausch zehnmal grösser, die Wirtschaft enger verflochten.

Kontrollen zu künftigen Abmachungen geplant

"Es darf zu keinem Sozialdumping kommen, es darf zu keinem Umweltdumping kommen", sagte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) zum künftigen Verhältnis der EU zu Grossbritannien. Ähnlich äusserte sich die französische Staatssekretärin Amélie de Montchalin. Es gehe darum, "die Interessen der Europäer zu schützen". Es werde Kontrollen zu künftigen Abmachungen und Klauseln für Sanktionen geben, falls die Vereinbarungen nicht eingehalten würden, betonte de Montchalin.

"Wir bieten eine substanzielle, ehrgeizige, ausgewogene, weitreichende Partnerschaft an", sagte Staatssekretärin Andreja Metelko-Zgombic für den kroatischen Ratsvorsitz. Die Europäische Union habe dafür ein "präzise definiertes" Mandat erarbeitet. "Die EU ist jetzt bereit, Verhandlungen aufzunehmen", erklärte Metelko-Zgombic nach dem Beschluss des Ministerrats.

Das 46 Seiten umfassende Verhandlungsmandat betont, ein fairer Wettbewerb müsse von belastbaren Zusagen getragen sein. Das angestrebte Abkommen solle gemeinsame hohe Standards erhalten. Für staatliche Beihilfen, Wettbewerb, staatliche Unternehmen, Arbeits- und Sozialnormen, Umweltstandards, Klimawandel, relevante Steuerfragen und andere Eingriffe auf diesen Gebieten soll es dem Papier zufolge auch weiterhin vergleichbar hohe Vorgaben mit EU-Standards als Referenz geben.

Irland fordert von Grossbritanien Kontrolle des Warenverkehrs

EU-Verhandlungsführer Barnier soll mit den Briten zudem wirksame Regeln für die Überwachung, Umsetzung und Weiterentwicklung des Abkommens vereinbaren. Dazu gehören auch die Schlichtung von Streitigkeiten und die Durchsetzung der vereinbarten Punkte. Die angestrebte Partnerschaft soll eine vollständige oder teilweise Aussetzung der Vereinbarung für den Fall vorsehen, dass eine Seite gegen wesentliche Elemente verstösst.

Der irische Aussen- und Handelsminister Simon Coveney forderte Grossbritannien auf, die Vereinbarung zum Brexit vollständig umzusetzen. Sie sieht unter anderem vor, dass die Briten künftig Waren kontrollieren, die über Nordirland zum EU-Mitglied Irland geliefert werden. Wenn die dafür nötige Infrastruktur nicht aufgebaut werde, wäre dies ein "beunruhigendes Signal" und würde die Aussichten auf einen Verhandlungserfolg schmälern, sagte Coveney.

Barnier kündigte an, die Entwicklung an der irisch-nordirischen Grenze und die Einhaltung der britischen Zusagen aus der Brexit-Vereinbarung genau zu beobachten. Dafür werde eine eigene Task Force eingesetzt. Der Frieden in Irland sei ein zentrales Anliegen.

(AWP)