Jan Marsalek, der ehemalige Chief Operating Officer der Wirecard AG, ist in einem Privatflugzeug letztes Jahr nach Belarus geflohen. Das geht aus einem Haftbefehl hervor, in den Bloomberg Einblick hatte. Bei der Flucht soll Marsalek Hilfe eines Geheimdienstagenten und eines Politikers der Freiheitlichen Partei Österreichs bekommen haben.

Das frühere Wirecard-Vorstandsmitglied, das bei Interpol auf einer Liste der meistgesuchten Personen steht, entzog sich im Juni einer möglichen Strafverfolgung, kurz bevor Wirecard Insolvenz anmeldete. Das Management musste eingestehen, dass 1,9 Milliarden Euro an Geldern nie existierten, was einen der grössten deutschen Bilanzfälschungsskandale auslöste.

Die österreichische Polizei hat laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien am Freitag einen - derzeit langfristig beurlaubten - hochrangigen Beamten des Inlandsgeheimdienstes BVT für zwei Tage festgenommen. Ein ehemaliger Abgeordneter der FPÖ wurde im Zusammenhang mit der Flucht ebenfalls in Gewahrsam genommen und verbleibt dort wegen einer anderen Angelegenheit, sagte eine Sprecherin des Landesgerichts Wien. Die beiden Männer können aus rechtlichen Gründen nicht namentlich genannt werden. Laut Haftbefehl vermutet die österreichische Staatsanwaltschaft, dass die beiden Männer mit der Hilfe von zwei Piloten Marsaleks Flucht organisiert haben.

Langjährige Beziehung

Beide haben eine langjährige persönliche und geschäftliche Beziehung zu Marsalek, wie E-Mails und Fotos zeigen, in die Bloomberg News Einblick hatte. Der Name des BVT-Beamten stand an der Tür eines Zimmers in einer Münchner Villa, die von Marsalek für Wirecard-Geschäfte und persönliche Angelegenheiten genutzt wurde und die Bloomberg besucht hat.

Der 40-jährige Marsalek war die rechte Hand von Wirecard-Chef Markus Braun, der in Deutschland im Gefängnis sitzt. Marsaleks aktueller Aufenthaltsort ist unbekannt - Medienspekulationen reichen von einem Anwesen ausserhalb Moskaus über ein Geheimversteck in der Türkei bis zu einer tropischen Insel.

Verdacht auf Amtsmissbrauch

Eine dritte Person, ebenfalls vom BVT, wurde im Zusammenhang mit dem Fall Wirecard festgenommen. Gegen sie wird nach Angaben der Wiener Staatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauchs ermittelt. Die Person wird nicht verdächtigt, Marsalek bei der Flucht geholfen zu haben.

Der Haftbefehl, dessen geschwärzte Version online veröffentlicht wurde, bestätigt eine Untersuchung von Bellingcat, die Marsalek in Weissrussland verortet hatte, sowie Berichte der österreichischen Zeitung "Die Presse".

(Bloomberg)