An der Börsen sind Anleger im Cannabis-Rausch. Doch im Hype um die Unternehmen der kanadischen Marihuana-Branche müssen sich Anleger, die nachhaltig investieren wollen, die Frage stellen: Ist Cannabis Medizin oder ein Laster? Investmentfonds, die auf nachhaltige, sozialverantwortliche Anlagen setzen, schliessen Firmen aus der Alkohol- oder Tabakindustrie meistens von vorneherein aus. Doch in den USA erlauben immer mehr Bundesstaaten Marihuana auch für den Freizeit-Genuss, Kanada gab im Oktober als weltweit erste grosse Inudustrienation den Gebrauch vollständig frei. Fondsmanager und ihre Kunden stehen damit vor der Entscheidung, ob sie sich mit Investitionen in die Branche wohlfühlen, auch wenn das Marihuana nicht für medizinische Zwecke bestimmt ist.

"Manche Kunden haben unabhängig von dem Abwendungsgebiet Null Toleranz gegenüber Cannabis, während andere differenzierter sind und nur Unternehmen ausschliessen, die sich auf den Markt für den Freizeitkonsum konzentrieren", sagt Joseph Williams, Vizepräsident Research für nachhaltige und sozialverantwortliche Investments beim US-Finanzdienstleister MSCI. Marihuana wird zur Behandlung einer Reihe von Krankheiten eingesetzt, von Epilepsie, Multiple Sklerose bis hin zu Migräne. Im Zuge der Legalisierung in Kanada brummt das Geschäft der dortigen Anbieter, ihre Aktienkurse schossen durch die Decke.

Cannabis-Mangel setzt gehypte Kanada-Aktien unter Druck

"Es gibt viele gemischte Gefühle bei Cannabis, während bei Tabak die Übereinkunft herrscht, dass es nicht sicher ist", sagt Jennifer Sireklove, die beim Investmenthaus Parametric Portfolio Associates für nachhaltige Anlagen verantwortlich ist. Die Debatte um Cannabis veranschaulicht die breite Palette von Anlagephilosophien im schnell wachsenden Geschäft mit nachhaltigen Investments, die die Unternehmen auf die Kriterien Umwelt, soziales Engagement und Unternehmensführung (ESG) abklopfen.

Während nahezu alle Investoren auf diesem Gebiet Branchen ausschliessen, die negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben könnten - etwa Waffen, Glücksspiele, Pornografie und Tabak - investieren andere etwa in Unternehmen, die Alkohol verkaufen, wenn es nur einen kleinen Teil ihres gesamten Geschäfts ausmacht. Glaubensbasierte Investoren, darunter auch einige christliche College-Stiftungen, gingen Cannabis dagegen eher aus dem Weg, erläutert Sireklove.

Ideal für «Laster-Fonds»

Die beiden grössten ausschliesslich auf nachhaltige Anlagen spezialisierten US-Investmentgesellschaften Parnassus Investments und Calvert Investments halten gegenwärtig keine Anteile an Cannabis-Unternehmen. Dagegen nimmt etwa MSCI gegenwärtig Firmen aus der Branche in seiner breiten Liste an ESG-konformen Unternehmen auf. Das könnte sich jedoch ändern, wenn ein grosser Tabakkonzern wie Philip Morris eine Cannabisfirma wie die kanadische Tilray erwerben oder selbst in den Marihuana-Markt eintreten würde, wie MSCI-Manager Williams erläutert.

Solche Gedankenspiele treiben Fondsmanager Jordan Waldrep nicht um. Er verwaltet bei der US-Investmentfirma USA Mutuals den 164 Millionen Dollar schweren Vice Fonds - zu Deutsch den Laster-Fonds. Neben Zigaretten- und Alkoholherstellern wie Altria und Heineken liegen auch Casino-Betreiber und Rüstungskonzerne wie Northrop Grumman im Portfolio. Für ihn bietet die Cannabis-Branche, die von der zunehmenden Legalisierung profitiert - enorme Chancen. Er setzt auf Unternehmen wie Canopy Growth, die damit begonnen haben, ihre eigenen Marken zu etablieren, statt sich nur auf die Züchtung und den Anbau zu konzentrieren. "Im Freizeitmarkt dreht sich alles um Marken", sagt Waldrep. "Die Wachstumschancen sind einfach gewaltig." 

(Reuters)