Seit dem Corona-Einbruch im März 2020 kannten die Aktien von Meyer Burger bis Mitte Februar nur eine Richtung: Mit plus 423 Prozent steil aufwärts. Befeuert wurde das Kurswachstum durch Fantasien bezüglich der grundlegenden Strategieänderung – vom Maschinen- zum Solarmodulhersteller - und der Überlegenheit der hauseigenen Heterojunction-Technologie. 

"Mit unserer Heterojunction-Technologie stehen wir erst am Beginn eines neuen Technologiezyklus", sagte Gunter Erfurt, CEO von Meyer Burger, im letzten Herbst im Interview mit cash.ch. Erfurt zeigte sich überzeugt davon, dass die Zahlungsbereitschaft des Markts für die leistungsstärkeren und langlebigeren Solarmodule von Meyer Burger besteht. 

Seit dem Höhepunkt Mitte Februar dominiert die auch vom Management befeuerte Fantasie kaum noch das Marktgeschehen. Nach einem eher stärkeren Rückgang im März ist zwar ein erneuter Ausbruchsversuch erfolgt, doch ohne Erfolg: In den letzten vier Wochen haben die Aktien 14 Prozent verloren.

Kursentwicklung der Meyer-Burger-Aktien seit Januar 2020 (Quelle: cash.ch).

Die Anleger und Anlegerinnen sind im Moment berechtigterweise vorsichtiger. Als Meyer Burger letzte Woche seine ersten eigenen Hochleistungs-Solarmodule präsentiert hat, zeigte sich der Markt unbeeindruckt. Das Unternehmen muss den Beweis liefern, dass es neben Plänen und Technologie auch den versprochenen Umsatz und Gewinn generieren kann.

Die nächsten Wochen und Monate könnten hektische und nervenaufreibende Zeiten werden. Der Fahrplan ist dicht: Eröffnung der deutschen Fertigungen für Solarzellen und -module im Mai, Produktionsstart im Juni, Beginn der Auslieferung an Kunden im Juli. Verzögerungen werden mit grosser Sicherheit mit Kursabschlägen bestraft.

In der kommenden Phase steht zudem das Kundeninteresse im Vordergrund. Um dieses abzudecken, hat Meyer Burger Mitte April mit Solarmarkt GmbH einen ersten Vertriebspartner vorgestellt und weitere sind mit der Präsentation der Solarmodule gefolgt. Die Vertriebswege sind auch notwendig, will sich das Unternehmen als Produzent von Hochleistungs-Solarmodulen etablieren. Entscheidend wird in dieser Phase auch sein, ob Meyer Burger grosse Mengen zu einem profitablen Preis produzieren kann.

Zu viele Unsicherheiten für eine klare Kaufempfehlung

Es ist unbestritten, dass Meyer Burger mit seiner Heterojunction-Technologie aktuell einen Wettbewerbsvorteil hat. Doch es würde nicht gross erstaunen, wenn auch asiatische Unternehmen Produkte auf der Basis dieser Technologie am Entwickeln sind. Kann Meyer Burger seine Solarmodule nachhaltig zum gewünschten Preis verkaufen? 

Rückenwind und Unterstützung erfahren die Aktien von Meyer Burger dadurch, dass die Solarindustrie in den kommenden Jahren dank des politischen Drucks zur Dekarbonisierung stark wachsen wird. Zudem besteht weiterhin die Möglichkeit, dass die Europäische Union Einfuhrzölle auf chinesische Solarmodule erheben wird. Wird letztere Realität, sähe sich Meyer Burger über Nacht in einer sehr komfortablen Lage.

Einen Kauf der hoch volatilen Meyer-Burger-Aktien ist nur risikonehmenden Anlegerinnen und Anlegern zu empfehlen. Zu viele Unsicherheiten bleiben bestehen. Eher defensive Gemüter warten lieber ab, inwiefern sich das Unternehmen am Markt behaupten kann. Vermutlich wird die Präsentation der Halbjahreszahlen am 18. August erste Hinweise darauf geben.

ManuelBoeck
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