Die Kolumne «Gopfried Stutz» erschien zuerst im 

"Sollten die USA gegen den Irak in den Krieg ziehen, werden die Aktienkurse rund um den Globus in die Tiefe sacken, nur um wenig später wieder in die Höhe zu schnellen." Das schrieb ich am 28. Januar 2003 im Blick und sollte recht behalten.

Vor Kriegsbeginn sank der Dow Jones bis auf 7500 Punkte, Ende Jahr lag er bei 10'400 Punkten, 39 Prozent höher. Ich bin kein Prophet. Doch bei Kriegen läuft es häufig nach dem gleichen Muster ab. Nicht umsonst sagt eine Börsenweisheit: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern."

Über den ethischen Gehalt dieses Börsentipps brauchen wir nicht zu diskutieren. Die Börse kennt keine Moral. Deshalb wollen wir ganz nüchtern der Frage nachgehen, weshalb kriegerische Auseinandersetzungen in vielen Fällen die Aktienmärkte beflügeln.

Börsianer hassen nichts so sehr wie Unsicherheit. Kommt der Krieg, kommt er nicht? Die Frage führt zu einer grossen Verunsicherung. Grosse Kursschwankungen und tendenziell tiefere Kurse sind die Folge. Sobald die erste Bombe eingeschlagen hat, lassen sich die wirtschaftlichen Konsequenzen in vielen Fällen besser abschätzen, zumal nicht nur die Rüstungsindustrie von Kriegen profitiert.

Doch jeder Krieg ist anders. Typisch ist im aktuellen Fall, dass am Tag der russischen Invasion in die Ukraine die Aktien auf breiter Front nachgegeben haben, zumal eine grosse Mehrheit der Beobachter nicht mit einer Invasion dieses Ausmasses gerechnet hat. Typisch ist ebenfalls, dass am Tag danach eine Gegenreaktion zu beobachten war. Seither geht es auf und ab.

Diesmal sind nicht nur der Ausgang der russischen Aggression, sondern auch die Auswirkungen der wirtschaftlichen Sanktionen schwer abzuschätzen. Zudem haben wir eine auferstandene Inflation, die wegen der höheren Energiepreise zusätzlichen Schub erhält. Das könnte zu Zinssteigerungen führen, was Aktienmärkten noch nie gut bekommen ist. Und wenn wir daran denken, dass 41 Prozent der europäischen Gasimporte aus Russland stammen – dann gute Nacht. Fragen über Fragen. Die Unsicherheit ist geblieben.

Die "Handelszeitung" hat kürzlich eine Übersicht mit Beispielen publiziert, wie sich die US-Börse nach Kriegsausbrüchen und Terrorattacken entwickelt hat. 9/11 bescherte der US-Börse einen kumulierten Verlust von 12 Prozent, doch in nur einem Monat haben sich die Kurse bereits wieder erholt. Bei der Invasion von Kuwait durch den Irak im August 1990 verloren US-Aktien insgesamt knapp 17 Prozent; es dauerte ein halbes Jahr, bis die Aktienkurse das Vorkriegsniveau wieder erreicht haben. Der Angriff der Deutschen auf Polen im September 1939 hatte im Zweiten Weltkrieg kumuliert eine Kurskorrektur von 45 Prozent zur Folge. Bis zur vollständigen Erholung verstrichen 2280 Tage, etwas über sechs Jahre.

Daran wollen wir gar nicht denken.