Aus Furcht vor einer raschen Abfolge von Zinserhöhungen der grossen Notenbanken warfen Investoren Staatsanleihen aus ihren Depots. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe am Mittwoch erstmals seit Anfang Mai 2019 wieder in positives Territorium.

Sie rentierte bei plus 0,017 Prozent. Die Rendite der vergleichbaren US-Treasuries stieg wegen der Aussicht auf baldige Zinserhöhungen der Notenbank Fed auf plus 1,884 Prozent.Der Ausverkauf bei Staatsanleihen hatte sich in den vergangenen Wochen intensiviert. Seit Anfang Dezember sind die Zinsen an den Bondmärkten der Euro-Zone deswegen um rund 30 Basispunkte gestiegen. Anleger setzen darauf, dass die US-Notenbank die Zinsen bereits im März erhöhen könnte und damit früher als ursprünglich an den Finanzmärkten erwartet.

 

Experten sagten dazu in ersten Reaktionen:

OLIVER EICHMANN, DWS:

"Dies ist die Folge anhaltend hoher Inflationsraten, der Markterwartung baldiger und kräftiger Zinserhöhungen durch die Federal Reserve und einer weniger expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Die nächste Entscheidung des für die Geldpolitik der US-Notenbank zuständigen Offenmarktausschusses FOMC ist für den 26. Januar terminiert. Wir gehen davon aus, dass die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen in diesem Jahr weiter bis in den Bereich von plus 0,2 Prozent steigen wird.

Wird dies zu Problemen für die höher verschuldeten Staaten des Euroraums führen? Derzeit erwarten wir nicht, dass der Markt deren Refinanzierungsfähigkeit testen wird. Denn die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dürfte expansiv bleiben und einer Ausweitung der Spreads über die noch bis 2024 andauernden Reinvestitionen entgegenwirken. Darüber hinaus ist durch NextGenerationEU bereits eine teilweise Vergemeinschaftung von Staatsschulden gegeben.

Allerdings könnte das mit einer wieder positiven Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe einhergehende psychologische Moment einige Investoren dazu bewegen, Kapital aus höher verschuldeten Staaten des Euroraums abzuziehen. Daher gehen wir auf Sicht von zwölf Monaten von moderat steigenden Risikoprämien italienischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen aus."

HOLGER SCHMIEDING, CHEFVOLKSWIRT BERENBERG BANK:

"Damit hat der Markt eine symbolisch besonders wichtige Marke geknackt. Endlich muss der Anleger beim Kauf von zehnjährigen Bundesanleihen nicht von vorne herein draufzahlen. Aber eine attraktive Anlage, die neben der Sicherheit über die spätere Rückzahlung auch einen Ertrag verspricht, sind diese Anleihen damit noch lange nicht.

Wirtschaftlich sind die Auswirkungen sehr gering. Der Bundeshaushalt kann sich auch Zinsen leicht über Null problemlos leisten. Real gerechnet, also nach Abzug der Inflation, bleiben die Finanzierungskosten so günstig, das kaum eine Investition oder kein Hauskauf am etwas weniger gedrückten Zinsniveau scheitern dürfte."

CARSTEN BRZESKI, ING-CHEFVOLKSWIRT:

"Die Null-Marke ist natürlich rein symbolisch und hat keinen wirtschaftlichen Mehrwert. Was der Anstieg der Renditen allgemein zeigt, ist die Zeitenwende bei den Notenbanken und auch der EZB. Der Einstieg in den Ausstieg mit weniger Anleihekäufen seit Anfang des Jahres, die hohe Inflation und die Aussicht auf Zinserhöhungen in den USA haben die Renditen nach oben gedrückt.

Um die Finanzen von Christian Lindner brauchen wir uns auch bei diesen Renditen keine Sorgen zu machen. Kredite werden langsam wieder etwas teuerer oder - besser gesagt - etwas weniger günstig. Marginal können sich Kreditnehmer und Häuslebauer dieses Jahr auf leicht steigende Zinsen einstellen. Für Sparer wird sich wohl nichts verändern, denn eine Leitzinserhöhung sehe ich erst Anfang 2023."

ELMAR VÖLKER, LBBW:

"Es hatte sich schon abgezeichnet, dass ein Wiederanstieg der 10-jährigen Bundrendite über null nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen würde. Abwärtsdruck auf die Rentenkurse und entsprechender Aufwärtsdruck auf die Renditen kommt derzeit vor allem aus den USA, wo sich die Anzeichen verdichten, dass die US-Notenbank bereits in wenigen Wochen die Leitzinswende einläuten dürfte. Spekulationen darüber, dass die Fed im laufenden Jahr mehr als die von ihr selbst im Dezember avisierten drei Anhebungen vornehmen könnte, wurden jüngst durch die Aussagen einzelner US-Währungshüter angeheizt.

Die EZB zeigt sich demgegenüber erheblich defensiver hinsichtlich des Themas einer Leitzinswende. Solange die Euro-Währungshüter an dieser Grundhaltung festhalten, dürften die Bundrenditen ihren US-Pendants nur mit gebremstem Schaum folgen, was vorerst dagegen spricht, dass die 10-jährige Benchmarkrendite allzu tief in das positive Terrain vordringt. Wir gehen zudem davon aus, dass deutliche Pluswerte bei den Renditen auch langfristig-orientierte Investoren wieder verstärkt anlocken dürften, nachdem man fast drei Jahre lang mit Negativrenditen vorliebnehmen musste. Erst recht dürfte es noch längere Zeit dauern, bis auch die Renditen 5-jähriger oder gar 2-jähriger Bunds wieder positiv werden."

(Reuters/cash)