Schon heute besteht im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Grosskonzerne die Pflicht, wichtige Kennzahlen wie etwa Umsätze oder Steuern für jedes Land aufzuschlüsseln und den Behörden mitzuteilen. Im Fachjargon wird dies "Country by Country Reporting" genannt. Dieses "Reporting" gilt auch für Schweizer Konzerne, da auch die Eidgenossenschaft Mitglied der OECD ist.

Doch das genügte der EU-Kommission nicht. Als Folge von Steuer-Skandalen wie etwa "Luxleaks" präsentierte sie im April 2016 einen verschärften Vorschlag, um Steuervermeidung von multinationalen Konzerne effektiver zu bekämpfen.

Die Brüsseler Behörde forderte, dass Unternehmen, die in der EU aktiv sind und einen Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro aufweisen, öffentlich publizieren müssen, wie viel Gewinn sie in den einzelnen EU-Staaten machen und wie viele Steuern sie jeweils dort bezahlen. Zusätzlich sollen sie ausweisen müssen, wie viel Steuern sie insgesamt ausserhalb der EU bezahlen.

Trick der EU-Kommission

Doch mit Steuerthemen ist das in der EU so eine Sache: Denn die EU-Mitgliedstaaten müssen neue Steuerregeln einstimmig annehmen, was oft schwierig ist. Viele Steuervorlagen scheitern an dieser Einstimmigkeit.

Daher hat die Brüsseler Behörde 2016 zu einem Trick gegriffen: Sie stellte sich auf den Standpunkt, diese öffentlichen länderbezogenen Berichte seien kein Steuerthema. Vielmehr würde damit der Wettbewerb im EU-Binnenmarkt gestärkt. Als Folge davon müssen sich nun nicht die für Steuern zuständigen Finanzminister, sondern die für Wettbewerbsangelegenheiten zuständigen Minister damit befassen.

Das hat den Vorteil, dass nun nicht mehr Einstimmigkeit notwendig ist. Denn die mit Wettbewerbsfragen befassten Industrie- und Wirtschaftsminister entscheiden lediglich mit qualifizierten mehr: 15 der 27 Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag zustimmen, die zugleich 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung ausmachen. Kein Wunder, kam dieser Trick bei einer Reihe von Mitgliedstaaten überhaupt nicht gut an.

Österreich muss ja stimmen

Als sich die zuständigen Minister Ende November 2019 zum ersten Mal damit beschäftigten, scheiterte die Vorlage jedoch knapp am qualifizierten Mehrheit - unter anderem auch wegen Österreich.

Doch am Donnerstag könnte es für ein qualifiziertes Mehr knapp reichen. Denn Österreich muss dieses Mal für eine Verschärfung der Regeln stimmen, obwohl die konservative Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dagegen ist. Grund dafür ist ein Parlamentsentscheid, der während der Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein, gefällt wurde.

Denn im Mai 2019 kam es wegen der so genannten "Ibiza-Affäre" - einer Affäre um Korruption bei der ÖVP-Koalitionspartnerin FPÖ - zum Kollaps der österreichischen Regierung. Kanzler Kurz trat zurück, konnte dann aber nach vorgezogenen Neuwahlen erneut die Regierung bilden. Da war jedoch der Entscheid im Parlament für eine verschärfte Transparenz für Grossunternehmen bereits gefällt.

Juristisches Nachspiel möglich

Werden die Minister am Donnerstag mit qualifiziertem Mehr zustimmen, dann müssen sie sich in einem nächsten Schritt mit dem EU-Parlament einigen, was ziemlich sicher ist. Denn die EU-Abgeordneten fordern seit langem schon schärfere Regeln gegen Steuervermeidung.

Doch selbst wenn sich die Mitgliedstaaten und das Parlament auf ein öffentliches "Reporting" einigen: Das Ganze könnte ein juristisches Nachspiel haben.

Denn der juristische Dienst des Rates - dem Gremium der EU-Mitgliedstaaten - kam bereits Ende 2016 zum Schluss, dass die von der EU-Kommission ausgewählte rechtliche Grundlage nicht korrekt sei. Die Brüsseler Behörde interessierte das jedoch wenig: Sie hielt an ihrem Entscheid fest. Gut möglich also, dass dereinst einige EU-Staaten vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) gegen diese neue Transparenzregel klagen werden.

(AWP)