An dieses Treffen vom 16. Juni 2017 konnte sich neben Lauber keiner der Beteiligten erinnern. Nach Faktenlage waren neben Lauber und Infantino André Marty, Informationschef der Bundesanwaltschaft, der Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold sowie eine mögliche fünfte Person dabei.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVger) in St. Gallen sah diese kollektive Erinnerungslücke nach allgemeiner Lebenserfahrung als unwahrscheinlich an. Lauber habe über dieses Treffen vorsätzlich die Unwahrheit gesagt und ein drittes Treffen mit Infantino gegenüber der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) verschwiegen.

Das sei eine schwere Amtspflichtverletzung. Auch Interessenkonflikte und Verstösse gegen die Stellvertretungsregeln sah das Gericht als erwiesen an. Lauber hatte die gegen ihn verhängte Disziplinarverfügung angefochten.

Einschränkungen führen zu weniger Lohnabzug

Andere Punkte aus der Disziplinarverfügung AB-BA erachtete das BVger als nicht begründet oder schwächte den Schweregrad ab. Nach einer Prüfung jeder einzelnen vorgeworfenen Amtspflichtverletzung befanden die St. Galler Richter, Lauber habe sich ausser in einem Fall gegenüber seiner Aufsicht nicht illoyal verhalten.

Auch wurde Lauber das rechtliche Gehör nicht gewährt, indem ihm die AB-BA gewisse Unterlagen vorenthielt. Als Beschwerdeführer vor BVger konnte er aber alle Akten einsehen, so dass die St. Galler Richter diesen Mangel als behoben ansehen.

Eine Behinderung der Disziplinaruntersuchung durch Lauber verneinte das Gericht ebenso wie Falschaussagen bezüglich eines Treffens des Bundesanwalts mit Marty und Arnold. Die AB-BA rügten die Richter wegen der "sehr angriffigen Aussagen" im Disziplinarbericht.

Aufgrund dieser Erwägungen reduzierte das BVger den von der AB-BA verhängten Abzug vom Jahreslohn Laubers von acht auf fünf Prozent. Die strengste mögliche Sanktion des Lohnabzugs sei gerechtfertigt, müsse aber auf mittlerer Höhe und nicht auf dem Maximum liegen.

Lauber geht postwendend

Auf den Richterspruch aus St. Gallen hin bot Lauber der Gerichtskommission der Räte in einer persönlichen Mitteilung seinen Rücktritt an. Er respektiere das Urteil, hiess es in dem Text, den Lauber den Medien zustellte.

"Die Unterstellung der Lüge weise ich nach wie vor in aller Form zurück", schrieb Lauber. Und: "Wenn man mir jedoch als Bundesanwalt nicht glaubt, dann schadet dies der Bundesanwaltschaft."

Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR), Präsident der Gerichtskommission von National- und Ständerat, sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone SDA, das von seiner Kommission eingeleitete Amtsenthebungsverfahren gegen Lauber laufe weiter.

Einzig wenn der Bundesanwalt vor dessen Abschluss zurückgetreten sei, werde es gestoppt. Und der Rücktrittszeitpunkt sei dessen alleiniger Entscheid. Lauber habe der Gerichtskommission aber für kommende Woche ein Schreiben in Aussicht gestellt. Die Kommission selbst will sich am 19. August treffen.

Erleichterte Reaktionen

Die AB-BA sah sich durch das Urteil im wesentlichen bestätigt. Insbesondere die Lüge über das dritte Treffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino sei eine schwere Amtspflichtverletzung.

Seitens der Gerichtskommission sagte Nationalrat Matthias Aebischer (SP/BE) auf Radio SRF, Lauber habe immer gesagt, er trete bei einem rechtskräftigen Entscheid zurück. Das sei jetzt der Fall, obwohl noch ein Rekurs beim Bundesgericht möglich wäre. Aber auch das Bundesgericht dürfte am Verdikt nichts ändern.

Nationalrat Lorenz Hess (BDP/BE), ebenfalls in der Gerichtskommission, sagte dem Radio, Lauber trete im letzten Zeitpunkt zurück, in dem er das noch ohne grösseren Gesichtsverlust tun könne. Kommissionspräsident Caroni enthielt sich wegen des laufenden Verfahrens eines Kommentars.

Hängige Strafanzeigen

Gegen Lauber sind noch vier Strafanzeigen hängig. Stefan Keller, der Präsident des Verwaltungs- und Obergerichts Obwalden, prüft diese Strafanzeigen gegen Lauber, Infantino und weitere Personen. Die AB-BA hatte ihn Anfang Juli als ausserordentlichen Staatsanwalt eingesetzt.

Er klärt, ob die Voraussetzungen für ein Strafverfahren gegeben sind. In den Anzeigen gegen Lauber geht es unter anderem um Begünstigung im Zusammenhang mit nicht protokollierten Treffen mit Infantino. Infantino seinerseits soll Lauber zu Amtsmissbrauch und Begünstigung angestiftet haben.

(AWP)