Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldete am Mittwoch fast 33'000 neue Corona-Fälle. Gemäss Projektionen der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes wird die Omikron-Welle noch im Januar ihren Höhepunkt erreichen. Das Gremium rechnet mit mehreren tausend Spitaleinweisungen und bis zu 300 zusätzlichen IPS-Patienten pro Woche.
Trotz der grössten Infektionswelle seit Beginn der Pandemie bleibt der Bundesrat gewohnt nüchtern. "Die Lage ist nicht einfach, aber es braucht keine neuen Massnahmen", sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch vor den Medien in Bern. Zuvor hatte er mit dem Gesamtbundesrat erstmals in diesem Jahr eine Lagebeurteilung vorgenommen.
Berset betonte erneut, dass der Bundesrat stets das Gleichgewicht zwischen medizinischer Betreuung und gesellschaftlichen Leben suche. "Wir sind immer Risiken eingegangen, auch, um die Gesellschaft und Wirtschaft nicht unnötig zu schädigen", so Berset.
Bundespräsident Ignazio Cassis appellierte an die Geduld der Menschen: "Wir können das Virus momentan nicht bremsen, wir können die Welle nur verlangsamen." Dafür brauche es aber nicht neue Massnahmen, sondern die strikte Einhaltung der geltenden Regeln.
Bundesrat verneint Durchseuchungsstrategie
Änderungen beschloss der Bundesrat nur bei der Dauer der Quarantäne und der Isolation. Ab sofort können sich Personen ohne Symptome bereits nach fünf Tagen wieder frei bewegen. Damit will der Bundesrat den reibungslosen Betrieb des Wirtschaftslebens sicherstellen.
Zudem beschränkte der Bundesrat die Quarantäne auf Personen, die mit einer positiv getesteten Person im gleichen Haushalt leben oder in ähnlicher Weise regelmässigen und engen Kontakt hatten. Davon ausgenommen sind Personen, die ihre letzte Impfdosis vor weniger als vier Monaten erhalten haben oder vor weniger als vier Monaten genesen sind.
Cassis und Berset verneinten die Frage, ob der Bund mit der Lockerung nun auf eine Durchseuchungsstrategie setze. Mit der Verkürzung gehe es darum, Kollateralschäden zu verhindern. Die kürzere Zeit der Isolations- und Quarantänedauer habe mit der kürzeren Inkubationszeit und der kürzeren Ansteckungszeit von Omikron zu tun.
Trotz dieses Schrittes rechnet der Bundesrat in den kommenden Wochen vermehrt mit Abwesenheiten von Arbeitnehmenden. Gemäss dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) sind die Infrastrukturen für die wirtschaftliche Landesversorgung wie auch die kritischen Infrastrukturen jedoch gut darauf vorbereitet.
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, können die Kantone Ausnahmen von der Isolation und Quarantäne gewähren. In Graubünden beispielsweise müssen sich alle Pflegefachpersonen beim Kanton melden, um die Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Sie könnten zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Einsatz verpflichtet werden.
Bekannte Instrumente weiterführen
Die Situation bleibe unsicher und schwierig zu deuten, sagte Berset, zeigte sich aber gleichzeitig optimistisch: "Vielleicht sind wir jetzt im Übergang von Pandemie zu Endemie." In der Tendenz werde eine Mutation über die Zeit immer weniger gefährlich.
Bis es soweit ist, können die geltenden Massnahmen laut dem Bundesrat jedoch nicht aufgehoben werden. Die bis Ende Januar befristeten 2G-(plus-)Regeln in Innenräumen, die Homeoffice-Pflicht sowie die Einschränkungen privater Treffen sollen verlängert werden. Die Kantone, Sozialpartner und Parlamentskommissionen können sich in den nächsten Tagen zu diesem Vorschlag äussern.
Sollte sich die Lage in den Spitälern rasant verschlechtern, kann der Bundesrat nach eigenen Angaben "unabhängig von der Konsultation rasch handeln und weitergehende Massnahmen beschliessen". Infrage kämen dann etwa die Schliessung von Restaurants oder Kapazitätseinschränkungen bei Grossanlässen.
Der Bundesrat nutzt die Konsultation auch dazu, den Kantonen weitere Fragen zu unterbreiten - etwa zum Verbot des Präsenzunterrichts an den Universitäten, zur Kapazität im Bereich der Akutbetten, zur Testpflicht vor der Einreise für geimpfte und genesene Personen, zur Anpassung der Teststrategie wegen der starken Auslastung der Testlabors, zum Verzicht auf Antigen-Schnelltests oder zur kompletten Aufhebung der Quarantäneregeln. Diskutiert wird darüber hinaus die Ausweitung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum.
Wahrscheinlich ist, dass der Bundesrat Ende Monat die Gültigkeitsdauer aller Impfzertifikate von 365 auf 270 Tage reduziert. Damit soll sichergestellt werden, dass das Zertifikat in der EU weiterhin anerkannt bleibt. Analog dazu sollen auch die Genesenenzertifikate noch 270 Tage gültig sein. Zu dieser Verkürzung der Gültigkeitsdauer werden die Kantone ebenfalls konsultiert. Sie soll per 1. Februar in Kraft gesetzt werden.
(AWP)