Die Coronakrise stellt auch den Markt für Staatsanleihen auf den Kopf. Die Schweiz hat ihre Topposition als das Land mit den weltweit tiefsten Langfristzinsen verloren. Am Dienstag lag die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen der Schweiz bei minus 0,27 Prozent. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen Deutschlands beträgt dagegen derzeit minus 0,34 Prozent. Auch bei den zweijährigen Anleihen liegen die Zinsen in Deutschland unterhalb derjenigen der Schweiz. 

Noch vor einem Monat, vor dem grossen Erdbeben an den Märkten, hatte der Langfristzins der Schweizer Staatsobligation, dem "Eidgenoss", bei minus 0,97 Prozent gelegen. Im letzten Jahr sogar minus 1 Prozent und darunter.

Wie kam es dazu diesem Wechsel? Einerseits haben die Marktverwerfungen der letzten Wochen dazu geführt, dass sich viele Investoren auch von geliebten, sicheren Langfristanlagen trennen mussten. Weil sie Liquidität brauchten oder ihre Portfolios aufgrund von Vorschriften neu anpassen mussten. Zu diesen sicheren Anlagen gehören neben Gold eben auch Schweizer Staatsanleihen. Andererseits kauft die Europäische Zentralbank in ihrem Krisenprogramm nun massenhaft Staatsanleihen von Euro-Ländern auf, um die Zinsen in einem angespannten Umfeld tief zu halten. Das treibt die Obligationenkurse in die Höhe und die entsprechende Rendite eben nach unten, so der Mechanismus am Bondmarkt.

Für die Eidgenossenschaft wird es nun nicht mehr ganz so "gratis", Geld aufzunehmen. Aber nach wie vor müssen Anleger draufzahlen, wenn sie der Eidgenossenschaft Geld ausleihen. Das ist derzeit auch nur ein Luxusproblem für die Eidgenossenschaft.

Das grössere Problem hat mit den jüngsten Renditekapriolen am Bondmarkt die Schweizerische Nationalbank. Der Hintergrund: Die Aufrechterhaltung einer grossen Zinsdifferenz zum Euroraum war einer der Hauptpfeiler der SNB-Geldpolitik der letzten Jahre. Das Ziel dahinter: Den Franken als sicheren Hafen für Anleger unattraktiv zu gestalten. Dieser Abstand ist auf Ebene des Leitzinses zwischen dem Euroraum und der Schweiz (mit ihrem Negativzins von 0,75 Prozent) noch immer gegeben. Aber auf dem Niveau der Staatsanleihen nicht mehr. 

Die SNB rund um Präsident Thomas Jordan dürfte den Anstieg der Schweizer Renditen am Bondmarkt deshalb mit einiger Besorgnis betrachten. Eine ähnliche Angleichung der Renditen passierte 2015, dann reagierte die SNB mit der Aufhebung der Kursuntergrenze und der Einführung des Negativzinses. Eine weitere Absenkung des Negativzinses in der Schweiz kann sich die SNB derzeit aus politischen und geldpolitischen Gründen aber nur noch im äussersten Ausnahmefall erlauben.

Um die Frankenstärke zu bekämpfen (die Schweizer Währung befindet sich auf einem Fünf-Jahre-Hoch zum Euro), setzt die SNB in den letzten Wochen wieder auf deutlich höhere Devisenkäufe am Währungsmarkt. Auch dies stiess in der Schweiz auf zunehmenden Widerstand, wird aber aufgrund der Krisenlage  nun hingenommen. Ob auch die USA darüber hinwegschaut, bleibt abzuwarten. Denn seit Januar ist die Schweiz wieder auf der Beobachtungsliste der potenziellen Währungsmanipulatoren des US-Finanzministeriums.

Wie schwierig bis fast unmöglich der Kampf der SNB gegen eine Aufwertung des Frankens ist, haben die letzten zwölf Jahre gezeigt. Und da wurde jeweils ebenfalls klar: In absoluten Krisenfällen spielten auch Zinsdifferenzen keine Rolle, die Investoren vor einer Flucht in den Franken abhalten sollten.

In anderen Worten:  Die Nationalbank wird in den nächsten Monaten wegen der schweren globalen Rezession wohl schon damit zufrieden sein, dass sich der Franken nicht stramm Richtung Euro-Parität bewegt.