Das Geld solle den von der Pandemie besonders betroffenen Staaten in den kommenden zwei, drei Jahren zusätzlich zu dem normalen EU-Haushalt gezahlt werden, schlugen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einer Videokonferenz am Montag vor. Die Mittel sollen als Zuschuss und nicht als Kredit fliessen. Macron sprach von einem "wichtigen Schritt", um in der EU zu einer Einigung über den künftigen EU-Haushalt zu kommen. Die Kanzlerin betonte die nötige Solidarität in Europa. Die EU müsse in einer aussergewöhnlichen Krise auch aussergewöhnlich handeln. Die Börsen in Europa regierten mit steigenden Kursen, die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen fielen.

Die 27 EU-Staaten verhandeln seit Monaten über einen neuen EU-Haushalt, der ein Volumen von einer Billion Euro bis 2027 haben soll. Bedingt durch die Corona-Krise und den massiven Einbruch vieler Volkswirtschaften hatten EU-Mitglieder wie Italien, Spanien und Frankreich aber zusätzliche Hilfen gefordert. Die EU-Finanzminister hatten bereits ein Paket mit Krediten über mehr als 500 Milliarden Euro geschnürt. Macron hatte für ein zusätzliches Hilfspaket aber ein Volumen von mehr als einer Billion ins Gespräch gebracht.

Der vorgeschlagene Wiederaufbaufonds von 500 Milliarden Euro ist nach Angaben beider Regierungen ein klassischer deutsch-französischer Kompromiss. Kanzlerin Angela Merkel sprach von einem "Korridor" der Verhandlungen mit den anderen 25 EU-Staaten. Deutschland akzeptiert nun, dass das Geld als Zuschuss gewährt werden soll. Der EU-Kommission soll zudem erstmals nach Artikel 122 erlaubt werden, Anleihen aufzunehmen. Merkel betonte, dass entscheidende Voraussetzung aber die Zustimmung des Bundestages und der anderen nationalen Parlamente sei. Zusammen mit den nationalen Hilfen stelle die EU damit insgesamt rund drei Billionen Euro in der Corona-Krise zur Verfügung.

Man habe schon mit etlichen Partnern gesprochen, betonten Merkel und Macron. Aber der Vorschlag solle nun erst einmal Bewegung in die Debatte bringen. Die EU-Kommission will in wenigen Tagen ihren Vorschlag für den sogenannten Recovery Fond vorlegen. Sowohl in Brüssel als auch Berlin gibt es die Hoffnung, dass bei einer positiven Reaktion der EU-Partner Mitte des Jahres ein Abschluss für das EU-Finanzpaket möglich sein könnte.

Rückzahlung über langen Zeitraum

Die Rückzahlung der EU-Anleihen solle über den EU-Haushalt und einen sehr langen Zeitraum erfolgen, sagte Merkel. Die EU-Länder zahlten dabei ihren Anteil wie beim EU-Haushalt. Bei Deutschland betrage dieser etwa 27 Prozent, der Bundestag müsse der Ermächtigung der EU-Kommission für die Anleihen zustimmen, fügte sie hinzu. Dass Länder wie Italien stärker von den Auszahlungen profitieren, ist nach dem deutsch-französischen Vorschlag ausdrücklich gewünscht. Sowohl Merkel als auch Macron betonten, dass sich die Unterschiede in der EU durch die Corona-Krise nicht vergrössern dürften.

"Unser Ziel ist klar. Europa wird diese Krise bewältigen und wir werden gestärkt aus ihr hervorgehen", heisst es deshalb in einem gemeinsamen Beschluss beider Länder. Merkel und Macron forderten die EU-Kommission auf, nun ihrerseits Vorschläge vorzulegen. Laut EU-Diplomaten hatte es in den vergangenen Tagen bereits intensive Gespräche sowohl mit der Kommission als auch anderen EU-Partner gegeben. Merkel deutete an, dass es langfristig auch eine Debatte über eine Änderung der EU-Verträge geben müsse, um eine weitere Integration in der EU zu ermöglichen. Macron nannte eine EU-Zuständigkeit auch in Gesundheitsfragen als wichtig. Die Kanzlerin forderte, dass sich die EU auch gegen Kräfte behaupten müsse, die die EU zerstören wollten. "Wir beide sind überzeugt: Die Antwort heisst, Europa muss gemeinsam handeln. Der Nationalstaat alleine hat keine Zukunft", betonte sie.

Beide Länder wollen zudem die technologische Souveränität der EU vorantreiben. Sowohl Merkel als auch Macron forderten in diesem Zusammenhang eine Reform des EU-Wettbewerbsrechts, um die Bildung sogenannter europäischer Champions zu ermöglichen, also von Firmen, die im weltweiten Wettbewerb mit Unternehmen etwa aus China oder den USA mithalten können. "Europa und Frankreich sollen sich nicht abschotten", sagte Macron. Die Europäer dürften aber nicht naiv sein.

(Reuters)