Vergangene Woche erreichte der Renditeaufschlag italienischer Anleihen gegenüber deutschen Staatspapieren den niedrigsten Stand seit März, wozu auch eine EZB-Lockerung von mehr als 2,6 Billionen Euro beigetragen hat. Doch die Fremdkapitalkosten Roms könnten kräftig steigen, wenn mehr Unternehmen ihre Schulden nicht zurückzahlen können, sagt Patrick Perret-Green, Leiter Research und Strategie beim Finanzdienstleister AdMacro.

"Liquidität ist nicht mit Zahlungsfähigkeit gleichzusetzen", so Perret-Green. Er fügte hinzu, dass Europas "starres Bankensystem auch riesige Mengen von ‘Junk’-Staatsanleihen hält, unter notleidenden Krediten ächzt und noch eine Welle von Zahlungsrückständen erleben dürfte".

In den letzten Tagen standen einige grosse Unternehmen am Abgrund, Wirecard reichte einen Insolvenzantrag ein, nachdem die Gesellschaft Milliarden von Euro an Barmitteln nicht auffinden konnte. Der britische Einkaufszentrum-Eigentümer Intu Properties geriet in die Konkursverwaltung, während der chinesische Eigentümer des französischen Modehauses SMCP eine Anleihekuponzahlung nicht bediente. Wenn dieses Problem nicht angegangen wird, könnte er möglicherweise die Kontrolle über den Einzelhändler verlieren.

Weitere Unternehmen könnten folgen, da Branchen wie Tourismus, Gastgewerbe und Einzelhandel stark unter den durch die Coronavirus-Pandemie ausgelösten Lockdowns leiden.

Ausfallrisiko wird unterschätzt

Im Jahr 2018 war die zehnjährige italienische Renditeprämie nach der Einsetzung einer populistischen Koalitionsregierung auf über 300 Basispunkte gestiegen. Derzeit müsste der Spread gegenüber den äusserst sicheren Bundesanleihen viel grösser sein, sagt Perret-Green. Der Spread belief sich am Dienstag um 11.25 Uhr (MESZ) auf 174 Basispunkte.

Das Credit-Team des niederländischen Finanzdienstleisters ING ist nach Aussage von Zinsstratege Antoine Bouvet der Ansicht, dass die Anleger die Wahrscheinlichkeit von Ausfällen bei spekulativen Papieren unterschätzen

"Eine Realitätsprüfung der Unternehmensausfälle birgt bei Eintreten die Gefahr einer Neubewertung von Risikoaktiva", sagt Bouvet. "Dies würde die finanziellen Bedingungen verschärfen und könnte die EZB zum Handeln veranlassen."

Unterstützung der EU könnte zu spät kommen

Nicht jeder ist so pessimistisch, und die Märkte haben ein grösseres Vertrauen in italienische Staatsanleihen signalisiert. Das Land erhielt bei einer Bondemission in diesem Monat Rekord-Zeichnungen von Investoren, insgesamt gingen Gebote von mehr als 100 Milliarden Euro für ein zehnjähriges Papier ein.

Eine weitere Unterstützung durch die EU kann jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen, und es ist unwahrscheinlich, dass der Wiederaufbaufonds sofort umgesetzt wird. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte, dass auf einem Gipfel im nächsten Monat eine Einigung möglicherweise nicht erreicht werde.

"Bis sie sich schliesslich auf etwas geeinigt haben, wird es wahrscheinlich zu spät sein", sagt Perret-Green von AdMacro.

(Bloomberg)