Laut Experten muss weltweit mehr geimpft werden, auch um neue Virus-Mutationen möglichst zu verhindern. US-Präsident Joe Biden plädiert darum für eine zeitlich befristete Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe. So sollen Entwicklungsländer besser versorgt werden können.

Pro: Erfahrungen mit HIV und AIDS

Die Idee der Aufhebung geht auf eine Initiative von Indien und Südafrika aus dem Oktober zurück. Die Länder sind der Meinung, dass Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums den zeitnahen Zugang zu erschwinglichen Impfstoffen und Medikamenten die Bekämpfung der Corona-Pandemie behindern.

Sie fordern die Aufhebung des Patentschutzes für einen nicht näher bestimmten Zeitraum mit einer jährlichen Überprüfung bis zum Ende der Aufhebung. Sie wollen auch einen weltweiten Zugang zu Technologie und Wissen. Zudem sei ein Teil der Gelder, die in die Vakzin-Entwicklung fliessen, aus öffentlicher Hand.

Sie begründen ihre Forderungen mit den Erfahrungen mit HIV und AIDS, als vor allem in Afrika Millionen Menschen starben, weil sie nicht mit lebensrettenden Medikamenten behandelt wurden. Zu den Befürwortern einer Aufhebung zählen und 260 Gruppen wie "Ärzte ohne Grenzen" und bekannte Persönlichkeiten wie der ehemalige britische Premierminister Gordon Brown.

Contra: Patentschutz bietet Entwicklungs-Anreiz

Gegen eine Aufhebung des Patentschutzes sind die grossen Pharmafirmen und Länder wie Grossbritannien und die Schweiz. Zu den wichtigen westlichen Herstellern zählen derzeit Moderna, Johnson & Johnson, AstraZeneca und Biontech/Pfizer. Die Pharmakonzerne argumentieren, die Entwicklung von Vakzinen sei unvorhersehbar und teuer.

Ein guter Patentschutz sei ein Anreiz, Impfstoffe in Rekordzeit zu entwickeln. Das sei auch wichtig, wenn es darum ginge, mögliche Virus-Varianten oder eine mögliche andere Pandemie in Zukunft zu bekämpfen. Zudem sei die Herstellung von Impfstoff schwierig, so dass allein eine Aufhebung der Patente nicht automatisch zu einer höheren Produktion führe. Probleme dabei könnten das Vertrauen der Bevölkerung in die Mittel gefährden. Zudem gebe es bereits über 260 Partnerschafts-Abkommen für Produktion und Vertrieb.

Kompromiss?

Die Welthandelsorganisation WTO hat einen "dritten Weg" vorgeschlagen. WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala trommelte im April Hersteller, Politiker und andere Beteiligte zusammen, um die Ungerechtigkeiten bei der Impfstoff-Verteilung möglichst zu beseitigen. So soll der Technologietransfer von den Herstellern beschleunigt werden, um neue Produktionskapazitäten aufzubauen. Zudem sollen die Produzenten ihre Verträge und ihre Preispolitik transparent machen.

Grundlage der Verhandlungen ist das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS Agreement) der WTO. Es regelt etwa Urheberrecht, Markenrecht und Patente. Die Entscheidungen müssen in der WTO einstimmig fallen, daher müssen alle 164 Mitglieder Änderungen zustimmen. Dazu hat es in den vergangenen sieben Monaten zehn Treffen gegeben, zuletzt Ende April. Einen Durchbruch gab es bislang nicht. Weitere Gespräche sind aber schon terminiert. 

(Reuters)