Am Rande einer G20-Expertenkonferenz dieser Tage in Berlin wurden nicht zuletzt wegen Ankündigungen des designierten US-Präsidenten Donald Trump Befürchtungen laut, eine Rolle rückwärts auf dem Weg hin zu einer Angleichung der unterschiedlichen Besteuerungspraktiken stehe kurz bevor. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schwant Böses. "Es geht international schon wieder los mit dem Steuerwettbewerb und den Versuchen von Steuerdumping", sagte er jüngst - und seitdem ist noch mehr passiert in dieser Richtung.

Die jüngsten Äusserungen aus den USA dürften Schäubles Sorgenfalten noch vertieft haben. Der designierte US-Finanzminister Steven Mnuchin, ein Ex-Banker und Hedge-Fonds-Manager, kündigte kurz nach seiner Ernennung diese Woche eine umfassende Steuerreform an, die Konzernen eine kräftige Entlastung bringen soll. Von 35 Prozent auf 15 Prozent sollen die Sätze für Kapitalgesellschaften gesenkt werden. "Wir denken, dass wir mit der Senkung der Unternehmenssteuern ein riesiges Wachstum schaffen", begründete Mnuchin die Pläne. Auf drei bis vier Prozent Wachstum im Jahr hofft er, was eine Verdopplung wäre.

Die USA waren zwar nicht der Treiber hinter den Bemühungen um mehr Steuergerechtigkeit in der G20-Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer. Aber sie haben diesen Weg auch nicht blockiert. Wenn nun aber die weltweit grösste Wirtschaftsnation einen Kurswechsel vollzieht und mit niedrigen Steuersätzen den internationalen Wettbewerb anheizt, dann hat das zwangsläufig seine Wirkung auch für andere Länder. "Dann heisst es eben nicht mehr, Gemeinsamkeit suchen und nationale Interessen dabei eher in den Hintergrund rücken, dann geht es vielmehr künftig für jeden darum: wie verteidigen wir uns dagegen?" beschreibt ein Steuerexperte aus der G20 die Wirkung.

Grossbritannien gibt den Startschuss

Das Schlimme für die Verfechter von mehr Harmonisierung und vergleichbaren steuerlichen Bedingungen ist: Trump und sein künftiger Finanzminister stehen nicht alleine. Die britische Premierministerin Theresa May hat schon früher den Startschuss für eine Dumping-Runde gegeben. Sie will nach eigenem Bekunden die "niedrigsten Unternehmenssteuern in der G20". Dabei hat sie aber ganz eigene Motive: Sie will verhindern, dass nach dem Brexit-Votum ihrer Landsleute Unternehmen abwandern.

Von einer Senkung auf 17 Prozent nach bislang 20 Prozent spricht die Regierung. In Zeitungen auf der Insel ist von weniger als 15 Prozent die Rede. Zum Vergleich: der Durchschnittsatz in der Industrieländer-Gruppe OECD liegt bei 25 Prozent, in Deutschland liegt der Körperschaftsteuersatz bei 15 Prozent und die gesamte Steuerbelastung der Unternehmen bei knapp 30 Prozent.

Ungarns Regierungschef Victor Orban, nicht für seine internationale Gesinnung bekannt, geht noch weiter. Er kündigte an, die Firmen nur noch mit neun Prozent belasten zu wollen. "Mit diesem Satz wird Ungarn europaweit die besten steuerlichen Konditionen haben", verspricht er. Und selbst die linke Regierung Griechenlands, das seit Jahren auf die Hilfe von Gläubigern angewiesen ist, würde gerne die Steuern senken. Wenn die Geldgeber die strengen Auflagen zur Haushaltsführung lockern würden, könnte das Land Steuern senken und so wettbewerbsfähiger werden, argumentiert Finanzminister Euklid Tsakalotos.

«Guter Ruf kann doch nicht alles sein»

All das macht deutlich: Die Anhänger der Logik, Steuern senken steigert die Wettbewerbskraft und führt zu mehr Wachstum und Beschäftigung, gewinnen an Boden. Nur: Wenn alle dieser Logik folgen, geht die Kalkulation nicht auf und am Ende bleiben nur Einnahmeausfälle für den Staat. Ein gutes Beispiel ist Irland, das mit seiner Mini-Steuerbelastung für Firmen von 12,5 Prozent ganz vorne liegt.

Dass gerade ein Land, das im Gefolge der grossen Finanzkrise schon einmal Milliardenhilfen seiner Euro-Partner in Anspruch nehmen musste, nun auf 13 Milliarden Euro Steuernachzahlungen des US-Konzerns Apple verzichten will, sorgt bei vielen, wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, für Kritik. Ein guter Ruf als Billigsteuerland für Firmen, das kann doch nicht alles sein, schäumte der kürzlich.

Die Bundesregierung hält sich zugute, in der G20 beim Kampf gegen unfaire und ungleiche Wettbewerbs- und Steuerpraktiken mit Erfolg besonders Druck gemacht zu haben. Noch vor zwei Jahren nach dem Gipfel im türkischen Antalya feierte die Gruppe: "Noch nie hat es eine so enge Verständigung über internationale Besteuerungsstandards gegeben." Inzwischen, und das im Jahr der deutschen G20-Präsidentschaft, mutet das überholt an. Dennoch werde Deutschland weitermachen, sagt die Regierung.

(Reuters)