Am 3. März stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über die Volksinitiative "gegen die Abzockerei" von Thomas Minder ab. Die exorbitanten Gehälter des scheidenden Novartis-Verwaltungsratspräsidenten Daniel Vasella waren Hauptgrund für das Zustandekommen des Volksbegehrens. 2007 etwa zahlte sich Vasella einen Lohn von 44 Millionen Franken aus. Das war möglich, weil er von 1999 bis 2010 gleichzeitig CEO und VR-Präsident bei Novartis war. Auch beim Schoggi-Konzern Lindt & Sprüngli sind die Spitzenjobs seit fast 20 Jahren durch ein und dieselbe Person besetzt. Ernst Tanner. Er verdiente 2011 über 10 Millionen Franken.

Jörg Scholten, Spezialist für Compensation & Benefits bei Kienbaum, bestätigt: Bei Managern, die sowohl das Amt des CEO bekleiden als auch im Verwaltungsrat vertreten sind, "finden wir teilweise deutlich überdurchschnittliche Löhne für das operative Management vor."

Doch es gibt auch die Anti-Abzocker in der Schweiz. Nicht gemeint sind damit superreiche Manager wie der verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs oder der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, die für ihren Job freiwillig ein symbolisches Jahresgehalt von einem Dollar beziehen. Gemeint sind vielmehr CEO von Schweizer Unternehmen, die gemessen an verschiedenen Parametern zu bescheiden entlöhnt sind: Nämlich an der Anzahl Mitarbeiter, der Gewinn- und Umsatzentwicklung, der Börsenkotierung, der zeitlichen Beanspruchung und der unternehmerischen und volkswirtschaftlichen Verantwortung.

Darbende Detailhändler

Dazu zählen die Chef-Saläre in der Detailhandelsbranche: "In kleinmargigen Branchen wie dem Detailhandel sind die Löhne der Topkader tendenziell zu tief", sagt Roy Hitchman, Gründer und Inhaber der gleichnamigen Executive-Search-Firma, zu cash. Die Löhne fallen im Schnitt sogar geringer aus als in Deutschland, meint ein Headhunter, der nicht namentlich genannt werden will.

Migros-Chef Herbert Bolliger zum Beispiel verdiente im 2011 860'000 Franken. Der genossenschaftlich organisierte Detailhändler zählt mit 86'000 Mitarbeitern zu den grössten Arbeitgebern der Schweiz und hatte 2011 einen Reingewinn von rund 660 Millionen Franken erzielt. Bei der Migros wacht Jules Kyburz, Vorsitzender der Gottlieb-und-Adele-Duttweiler-Stifung, über die Managerlöhne und vergleicht diese mit den jeweiligen Lohnbändern.

Ähnlich hoch dürfte der Lohn des Coop-Chefs sein. Im 2011 erhielt CEO Joos Sutter zusammen mit sechs weiteren Geschäftsleitungsmitgliedern 4,3 Millionen Franken. Macht pro Kopf rund 610'000 Franken, wobei Sutter wohl den grössen Stück des Lohn-Kuchens erhielt. Der Coop-Chef ist mit seinem Lohn offenbar zufrieden. "Ich muss mich für meinen Lohn sicher nicht schämen", sagte er in einem Interview. Im Gegensatz zur Migros behält Coop das exakte Einzelsalär ihres Chefs weiterhin unter dem Deckel.

Lohnmässig müssen die Chefs vor allem in der Tourismusbranche und bei Verkehrsbetrieben unten durch: "In der Hotellerie sind die Löhne der Chefs im Verhältnis zur Präsenzzeit zu tief", sagt Ernst "Aschi" Wyrsch, Präsident von hotelleriesuisse Graubünden. Vor allem in der Ferienhotellerie seien 14-stündige Arbeitstage während 6 Tagen die Woche die Norm. Im Schnitt würden Direktoren von Mittelklasse- bis Erstklasshotels pro Jahr ein Gesamtsalär zwischen 120'000 bis 160'000 Franken kassieren, so Wyrsch, der selber jahrelang das Fünfsternehaus Steigenberger Grandhotel Belvédère in Davos geführt hat. Allerdings gäbe es auch Ausnahmen: Er selber habe deutlich mehr verdient, gibt Wyrsch zu.

Laut Headhunter Hitchman sind auch die Saläre der Airline-Chefs im Verhältnis zu anderen Branchen und zur zeitlichen Beanspruchung zu gering. So verdiente Lufthansa-Chef Christoph Franz im 2011 rund 2,7 Millionen Franken. In Relation zur Unternehmensgrösse - die börsenkotierte Lufthansa-Gruppe zählt rund 120'000 Mitarbeiter und erzielte 2011 einen Umsatz von 28,7 Milliarden Euro - und zur Verantwortung gerade im Bereich Sicherheit kaum ein überrissener Lohn. Swiss-CEO Harry Hohmeister verdient deutlich weniger als sein Chef Franz. Swiss hat immerhin über 8000 Mitarbeiter.

Auch das gibts: Unterbezahlte Banker

Auch in staatsnahen Betrieben bewegen sich die Löhne der Top-Manager eher am unteren Limit: SBB-Chef Andreas Meyer bezog 2011 gut eine Million Franken Lohn. Angesichts der grossen Verantwortung wahrlich kein Toplohn. Auch die Steigerung hält sich in Grenzen: Vor rund sieben Jahren lag das Gehalt des SBB-Chefs noch bei rund 700'000 Franken. Ebenso am unteren Lohnlimit liegt das Salär von Hans Amacker, Chef der Rhätischen Bahn (RhB). Er verdiente 2011 rund 258'000 Franken. Allerdings: In Relation zur Mitarbeiteranzahl ist Amacker besser besoldet als Meyer. Die RhB zählt rund 1300 Mitarbeiter. Bei der SBB sind es knapp 28'000.

Unter Branchenkennern gilt der Lohn von Heinz Karrer als eher unterdurchschnittlich. Karrer ist Chef von Axpo, dem grössten Schweizer Stromproduztenten und verantwortlich für das Kernkraftwerk Beznau. Sein Lohn betrug im Jahr 2011 882'000 Franken. Der Chef der schweizerischen Flugsicherung Skyguide, Daniel Weder, verdiente im 2011 in seinem verantwortungsreichen Job rund 560'000 Franken.

Stark unter Druck gerät derweil das Lohngefüge bei den Kantonalbanken-Chefs. So hat Mitte 2012 das Aargauer Kantonsparlament beschlossen, dass ein Geschäftsleitungsmitglied der Aargauischen Kantonalbank (AKB) maximal doppelt so viel verdienen darf wie ein Regierungsrat. Der AKB-CEO Rudolf Dellenbach bezog zwischen 2006 und 2011 jeweils 839'000 bis 962'000 Franken. Der Lohn eines Aargauer Regierungsrates beträgt 300'000 Franken. Dellenbachs Lohn dürfte demnach bald auf 600'000 Franken gestutzt werden.

Noch krasser fällt die Lohn-Diät bei David Becher, CEO der Glarner Kantonalbank, aus. Der höchste Lohn bei der Glarner Kantonalbank darf künftig maximal zehn Mal höher sein als der tiefste. Im 2013 darf Becher somit im Maximum 320'000 Franken einstreichen. Zum Vergleich: 2011 verdiente er noch 647'000 Franken. Und auch bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) sollen die Chef-Saläre zurechtgestutzt werden. Die SP und EVP wollen, dass CEO Martin Scholl höchsten zwölfmal so viel verdient wie der am schlechtesten Bezahlte. Der tiefste Lohn beträgt laut ZKB 48'000 Franken. Scholl erhielte dann noch 576'000 Franken. Im 2011 kassierte Scholl inklusive Boni rund 1,65 Millionen Franken.

Last but not least: Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Thomas Jordan, gehört mit 1 Million Franken jährlich unter den weltweiten Zentralbanken-Chefs zwar zu den Top-Verdienern. Doch angesichts der volkswirtschaftlichen und geldpolitischen Verantwortung, die auf den Schultern des SNB-Direktors lastet, müsste er eigentlich weit mehr einstreichen. Immerhin rettete die Nationalbank-Spitze im Jahr 2008 zusammen mit dem Bundesrat in einer noch nie erlebten Rettungsaktion die UBS vor dem Bankrott.