Seit der Finanzkrise kämpften Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), und sein Vorgänger Philipp Hildebrand unablässig gegen eine Aufwertung des Frankens an. Verbal, mit Devisenmarktinterventionen und mit dem weltweit tiefsten Leitzins. Die SNB schien mit ihrer Politik dem Wohl der Exportwirtschaft jahrelang alles unterzuordnen. Eine schwächere Landeswährung macht heimische Güter im Ausland günstiger und konkurrenzfähiger. Leidtragende der SNB-Negativzinspolitik waren Sparer, Konsumenten und die Finanzindustrie.

Mit dem rasanten Anstieg der Inflation wurden die Karten nun neu gemischt: Die SNB erwägt nun auf einmal Devisenverkäufe, um eine starken Franken herbeizuführen, wie Thomas Jordan vorletzte Woche kundtat, als die Nationalbank die Märkte mit einer Zinserhöhung von 50 Basispunkten überrumpelte. Die Message kam an den Märkten an: Der Franken wertete sich noch am selben Tag rund 2 Prozent gegen den Euro auf und bewegt sich seither Richtung Parität zur Einheitswährung.

Die SNB ist nicht die einzige Notenbank mit neuer Stossrichtung. Von Europäischer Zentralbank über Bank of England bis zur Bank of Canada beklagten Geldpolitiker rund um den Globus in den letzten Wochen die Schwäche der eigenen Währungen. Michael Cahill, Ökonom bei Goldman Sachs, kam kürzlich gar zum Schluss, er könne sich nicht an eine Zeit erinnern, in der Industriestaaten derart aggressiv auf stärkere, eigene Währungen abzielten wie derzeit. 

Warum wollen plötzlich alle starke Landeswährungen?

Die Hintergründe der Kehrtwende der Notenbanken: Inflation lässt sich durch eine starke Landeswährung bekämpfen. Sie verbilligt die Importe, gleichzeitig sinkt die Gefahr einer vom Ausland "eingeschleppten" Teuerung. Deshalb lässt die SNB schon seit Monaten eine gewisse Franken-Aufwertung zu.

"Wir haben nun eine Situation, in der eine starke Währung hilft, die binnenwirtschaftlichen Probleme der einzelnen Länder zu lösen", sagt Karsten Junius, Chefökonom bei der Bank J. Safra Sarasin, auf cash-Anfrage. Die Länder hätten alle einen Anreiz für eine stärkere Währung, allerdings nur solange der Arbeitsmarkt im Gleichgewicht sei und die Inflationsraten zu hoch lägen. "Wir werden daher solange Zinserhöhungen und stärkere Währungen bekommen, bis die höheren Zinsen und Wechselkurse die inländische Produktion und Arbeitskräftenachfrage zu stark dämpfen", so Junius weiter.

Vor allem in der angelsächsischen Welt ist nun bereits von einem "Reverse Currency War" die Rede.  Also von einem umgekehrten Währungskrieg, in dem nicht mehr, wie seit der Finanzkrise, die schwachen, sondern die starken Devisen oberste Maxime der Zentralbanken sind. Die Mechanismen des neuen Währungskrieges lassen sich an den Märkten einfach nachzeichnen: Die Zinserhöhungen der SNB und der Bank of England von vorletzter Woche setzten dem bisherigen Devisengewinner 2022, dem US-Dollar, deutlich zu. Währungsexperten warten jetzt darauf, dass auch eine Bank of Japan auf den Plan tritt und der notorischen Yen-Schwäche in diesem Jahr ein Ende zu bereiten versucht.

Was derzeit wieder als Währungskrieg bezeichnet wird, ist für Ökonom Junius nichts aussergewöhnliches. Der Wechselkurs sei einfach ein Preis, der interne und externe Ungleichgewichte in zwei Währungsräumen wieder ausgleichen könne. "Damit haben wir einen Preis für mehrere Probleme in unterschiedlichen Ländern, was logischerweise zu Zielkonflikten führen kann. Und  diese Zielkonflikte sind das, was wir als Währungskriege bezeichnen."

«Starke Währungen sind Ausdruck einer soliden und starken Volkswirtschaft»

Soweit mag Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, nicht gehen. Für ihn sind starke Währungen ohnehin "Ausdruck einer soliden und starken Volkswirtschaft", wie er auf cash-Anfrage schreibt. "Dies richten aber die Währungsmärkte von alleine, hierzu bedarf es keinerlei Interventionen". Das sehe man an der Entwicklung des Frankens, der sich seit Jahrzehnten aufwertet.

Gitzel will aber "theoretisch nicht ausschliessen", dass gerade die Schweiz wegen möglicher, neuer SNB-Interventionen zugunsten einer Frankenaufwertung wieder auf den Radarschirm der USA geraten kann. Die Eidgenossenschaft war Ende 2020 wegen Devisenkäufen zur Schwächung des Frankens von der Trump-Regierung als Währungsmanipulatorin bezeichnet worden. Karsten Junius von der Bank J. Safra Sarasin glaubt eher nicht daran. Denn in der bisherigen "Denke" hätten sich Länder über Manipulationen unfaire Handelsvorteile verschafft. "Davon kann aktuell nicht mehr die Rede sein."

Fest steht, dass Währungskriege, oder wie man sie nennen will, die Volatilitäten und die Unruhe an den Devisenmärkten erhöhen. Und grosse Volatilitäten im Devisenmark belasten diejenigen, die auf stabile Währungen angewiesen sind. Nämlich international tätige Unternehmen.

Junius, der als einer von ganz wenigen Ökonomen den SNB-Zinsschritt von vorletzter Woche vorausgesagt hatte, ist überzeugt, dass die SNB auch bei den nächsten Lagebeurteilungen die Zinsen anheben und eher zu Gunsten des Frankens intervenieren werde als wie in der Vergangenheit gegen ihn. Angesichts des "schwindenden Konjunkturmomentums" werde die Phase von Zinserhöhungen und der Trend zu stärkeren Währungen aber "nicht mehr Jahre dauern". 

Die aktuelle Diskussion um die Währungskriege zeigt laut Junius vor allem aber eines wieder: Dass "eine schwache Währung kein Vorteil per se ist, genau wie eine starke Währung per se kein Vorteil ist".