cash: Herr Straumann, wer kann sich nach der Einigung in Zypern als Sieger fühlen?

Tobias Straumann: Gewonnen haben beide Parteien, Zypern und die Eurozone, und zwar aus dem Grund, weil sie nun die richtige Lösung gefunden haben. Wenn Banken in Probleme geraten, muss man sie abwickeln, und nicht die Kleinsparer zur Kasse bitten.

Wie sieht die Zukunft von Zypern aus?

Ganz düster. Die zehn Milliarden Euro, die als Kredit gegeben werden, werden die Zyprioten nie zurückzahlen können. Das scheint mir unmöglich. Zudem wird das Land in eine brutale und jahrelange Rezession fallen. Das hat zur Folge, dass Zypern in fünf Jahren deutlich ärmer sein wird. Aus diesem Grund wird das Land weiterhin am Tropf der Europäischen Union bleiben. Es bleibt abzuwarten, wie lange Europa daran festhalten wird.

Wäre ein sofortiger Euro-Austritt die bessere Alternative gewesen?

Es macht nur Sinn, in der Euro-Zone zu bleiben, wenn die Perspektiven gut sind. So gesehen hätte ein Austritt Zyperns bei dieser Gelegenheit durchaus Sinn gemacht. Kapitalkontrollen sind schon eingeführt worden, nun folgen schwerwiegendere Konsequenzen: Der Finanzplatz fällt zusammen, die Schulden werden noch grösser und nun wird eine Rezession kommen, die sehr tief sein wird, weil Zypern keine Möglichkeit zur Währungsabwertung hat.

Gegen einen Austritt hat sich die Eurozone aber mit allen Mittel gewehrt?

Es ist immer die selber Geschichte: Eine Währungsunion ist nur dann glaubwürdig, wenn sie irreversibel ist. Deshalb ist es verständlich, dass die Eurozone darauf pocht, Zypern nicht zu entlassen. Nur ein Punkt wird übersehen. Gelingt es den Politikern nicht, die langfristige Basis für eine funktionierende Währungsunion auf die Beine zu stellen, wird sie ohnehin eines Tages scheitern. Dieser Tragödie schauen wir schon seit drei Jahren zu, und ich sehe keine Verbesserungen.

Konkret?

Die Eurozone macht in dieser Schuldenproblematik stets so viel, dass sie gerade nicht auseinanderfällt, aber unternimmt nie die notwendigen Massnahmen, die ein mittelfristiges Funktionieren garantieren würde. Bislang war die Eurozone nicht bereit, die dafür notwendigen grossen Schritte anzugehen, und es sieht immer weniger danach aus, als ob es ihr noch gelingen würde.

Als nächster Kandidat einer Staatspleite wird Slowenien gehandelt. Gibt es Parallelen zu Zypern?

Ich würde Slowenien eher mit Griechenland vergleichen. Es ist ein weiterer klassischer Fall: Das Land nützte tiefe Zinsen beim Einstieg in die Eurozone aus, ging eine übertrieben hohe private Verschuldung ein und wurde anschliessend von der Krise überrollt. Nun sitzt das Land auf Schulden und ist nicht mehr wettbewerbsfähig und im Wesentlichen bankrott, weil der Staat den Privatsektor stützen muss.

Wird Slowenien zur nächsten Belastungsprobe für den Euro?

Davon gehe ich aus. Die Anleihezinsen sind bereits jetzt mit 5,4 Prozent schon sehr hoch. Es wird vieles davon abhängen, ob die Eurozone bis dann etwas gelernt hat, oder wieder die Einzelfall-Politik verfolgt.

Diese Suche nach einzelnen Lösungen endet aber in einem Teufelskreis?

Ja, das sieht man an der Rezession an. Inzwischen ist auch Deutschland auf bestem Weg dorthin. Der Wirtschaftsboom hat sich deutlich abgeflacht, und auch die Aussichten sind nicht besonders rosig. Innerhalb der Eurozone ist zudem in den letzten Jahren so viel Geschirr zerschlagen und so viele Animositäten hervorgerufen worden, dass die Schaffung einer richtigen Währungsunion und damit die Rettung des Euros immer schwieriger wird.

Was wäre der bessere Ausweg?

Gäbe es eine Bankenunion, könnte man das Schuldenproblem elegant lösen. Die Eurozonen-Länder müssten in einem gemeinsamen Topf Hilfsgelder einzahlen, um die in Not geratenen Banken zu retten. Über den Privatsektor fliesst Geld wieder zurück in den Topf. So lässt sich der Verlust aus dieser Rettungsaktion minimieren. Auf ähnliche Art und Weise lief auch die Rettung der UBS durch die Nationalbank ab. Der Kanton Zürich wäre auch nicht in der Lage gewesen, die UBS ohne Hilfe zu stützen.

Reicht die Errichtung einer Bankenunion?

Das ist nur ein Aspekt. Aus der Geschichte kann man ableiten, dass eine Währungsunion nur funktioniert, wenn es neben der Bankenunion einen sehr integrierten Finanzmarkt  sowie Ausgleichsmechanismen gibt. Zu diesen gehören auch die Migrationsbewegungen, die in der Eurozone allmählich anziehen. Das deute ich als gutes Zeichen. Diese Bewegungen hatte es auch in der Schweiz gegeben, als 1850 der Franken eingeführt wurde, weil arme Gebiete nicht mehr rentabel waren.

Dem stehen die Eigeninteressen der verschiedenen Mitgliedsländer gegenüber?

Das ist klar, aber solche Schritte sind nötig. Es bringt nichts, bloss eine gemeinsame Währung einzuführen. Deshalb hat sich die Schuldenkrise lehrbuchmässig entwickelt: Die Ungleichgewichte haben zugenommen, Länder mit Problemen im Bankensektor in den Schuldensumpf geraten und Sparen in einer Währungsunion sind für schwache Länder verheerend, da sie ohnehin schon mit hohen Zinsen und einer starken Währung belastet werden.

Wie sieht die mittelfristige Zukunft der Eurozone aus?

Es wird nach dem Ausschlussprinzip ablaufen: Es ist eine Frage der Zeit, bis es irgendwo derart kriselt, dass ein Land nicht mehr die Anforderungen an Hilfskredite erfüllen mag oder will und als Folge austritt. Oder ein Land wird quasi zum Austritt gezwungen, weil es von externen Krediten abgeschnitten wird.

Was hiesse das für Europa? Eine Tragödie ohne Happy End?

Es wäre nicht das Ende der Welt, aber die Folge wäre wohl eine grosse Krise, die Europa in Mitleidenschaft zieht. Aber möglicherweise sind wir von diesem Szenario noch Jahre entfernt. Die Eurozone hat noch genug Mittel, um diesen Zeitpunkt weit hinauszuschieben.