Die Meldungen treffen mit zuverlässiger Regelmässigkeit ein: Im November kaufte der norwegische Staatsfonds der Credit Suisse den Gebäudekomplex Üetlihof in Zürich für rund 1 Milliarde Franken ab. Mitte Februar ging die Nachricht über den Ticker, dass der Staatsfonds Norwegens über 3 Prozent am Spezialitätenchemieunternehmen Clariant hält. Ein paar Tage zuvor meldete der derselbe Fonds ein Überschreiten der 3-Prozent-Schwelle beim Implantatehersteller Nobel Biocare.
Immer wieder Norwegen. Dass der Staatsfonds aus dem erdölreichen Land nun die Schweiz leerkaufen würde, wäre eine etwas übertriebene Feststellung. Aber der Fonds befindet sich auch in der Schweiz auf dem Vormarsch. An über 95 kotierten Unternehmen Helvetiens sind die Norweger beteiligt. Das grösste Einzelinvestment, so lässt sich der Website des Staatsfonds entnehmen, haben sich die Norweger bei der UBS mit 4 Prozent aufgebaut. Aber auch bei Roche, Zurich, Nestle oder Novartis sind die Norweger gewichtige Aktionäre.
Das mag nur auf den ersten Blick erstaunen, die Investitionen sind breit gestreut. "Die Norweger besitzen zwei Prozent jedes Unternehmens in Europa. Somit gibt es eine Menge von Unternehmen, an denen die Norweger knapp unter oder über drei Prozent halten", sagt Elroy Dimson im Gespräch mit cash. Dimson ist Vorsitzender des Strategierates des "Norwegian Government Pension Fund", wie der Staatsfonds auf englisch offiziell heisst. Der emeritierte Professor der London Business School war vorletzte Woche Gastredner am Institutional Money Kongress in Frankfurt.
Dimsons Aufgabe zusammen mit vier anderen Strategieratsmitgliedern ist es, das norwegische Finanzministerium darin zu beraten, wie die umgerechnet 550 Milliarden Euro des Staatsfonds angelegt werden sollen. Dieses Anlagevolumen macht den Fonds zu einem der grössten Investoren weltweit. Die eigentliche Fondsverwaltung kommt der Norges Bank Investment Management (NBIM) zu, die Teil der Norwegischen Zentralbank ist. Sie soll möglichst hohe Renditen für Norwegens künftige Generationen erwirtschaften.
61 Prozent in Aktien angelegt
61 Prozent der Staatsfondsgelder sind mittlerweile in Aktien angelegt, was den Fonds als ziemlich risikoreich erscheinen lässt. Schweizer Titel machen im Aktien-Portfolio über 6 Prozent aus. Die Norweger besitzen somit 1 Prozent der Aktien weltweit. Das Öl, dessen Verkaufserlöse den Fonds speisen, hat Norwegen zu einem der teuersten Länder der Welt gemacht, das Land hat das dritthöchste Pro-Kopf-Bruttoinlandprodukt der Welt, Gesundheitsversorgung und Erziehung sind gratis.
Im Gespräch gibt sich Dimson, der Spezialist für Langzeit-Investitionen ist, bewusst vorsichtig - im Wissen, dass sein Wissen und seine Aussagen bei den Anlegern auf die Goldwaage gelegt werden. Dabei verfolgt der Fonds, im Gegensatz zu anderen notenbank-ähnlichen Einrichtungen oder Zentralbanken wie der Schweizerischen Nationalbank (SNB), eine offene Informationspolitik. Jedes Investment wird publik gemacht. Davon zeugt etwa die 42-seitige Auflistung aller Unternehmen, an denen die Norweger beteiligt sind. Selbst die kleinste Schweizer Beteiligung ist dort erwähnt, nämlich der 0,01-Prozent-Besitz am Burgdorfer Pen-Hersteller Ypsomed.
"Es ist ein absolutes Bekenntnis zur Offenheit da. Sie finden auf der NBIM-Website eine bemerkenswerte Menge an Transparenz", so Dimson, der sich in seiner wissenschaftlichen Laufbahn mit der Performance-Langfristanalyse von Aktienmärkten befasst hat. Sein bekanntestes Buch "Triumph of the Optimists" untersucht die Entwicklung von Risikoprämien an Aktienmärkten über einen Zeitraum von 108 Jahren.
Erst letzte Woche gab der norwegische Fonds an der Jahrespressekonferenz bekannt, dass er sein Geld vermehrt in Wachstumsländer in Asien und in den USA anlegt und die Engagements im krisengeschüttelten Europa weiter deutlich zurückgefahren hat. In die Euro-Schuldenstaaten Griechenland, Portugal und Irland hat er so gut wie gar nicht investiert. Damit belief sich der Anteil an europäischen Anlagen Ende 2012 nur noch auf 48 Prozent nach 53 Prozent ein Jahr zuvor. Mit dem traditionell hohen Europa-Exposure lässt sich auch die relativ bescheidene Rendite des Fonds erklären: Bloss 3 Prozent erwirtschaftete der Fonds abzüglich Gebühren und Inflation jährlich zwischen 1998 und Ende 2012. Andere Staatsfonds kommen da auf viel bessere Zahlen.
Private Equity und Infrastruktur am Horizont?
"Die Idee des Fonds war ja, dass man in Länder investiert, von denen die Norweger Güter importiert," erklärt Strategierats-Chef Dimson im Gespräch mit cash die Europalastigkeit. "Aber die Welt sieht ja nicht mehr so aus. Das Untergewicht in Investitionen in Schwellenländern und in die USA wird beim Staatsfonds mit der Zeit weiter korrigiert". So tätigten die Norweger vor ein paar Wochen das erste Immobilieninvestment in den USA überhaupt.
Ausser in Aktien, Immobilien und Fixed-Income-Anlagen hat der Fonds bislang keine Investments getätigt. Das könnte sich laut Dimson bald ändern, wie er durchschimmern lässt. "Bald werden viele Leute wohl erwarten, dass Norwegen auch in andere Richtungen investiert, etwa im Bereich Private Equity oder Infrastruktur."
Mit den "vielen Leuten" meint Dimson wohl die Norweger selber, denn ihnen ist die relativ tiefe Durchschnittsrendite des Fonds nicht entgangen. Ausdruck des einheimischen Drucks ist auch das offensivere Auftreten des mächtigen Anlegers Norwegen. So tat sich Norwegen im letzten Jahr mit dem Staatsfonds von Katar zusammen. Sie zwangen den Rohstoffhändler Glencore, das Übernahmeangebot für den Konkurrenten Xstrata zu verbessern. Die Norweger stimmten auch bei einigen grossen Schweizer Firmen gegen vorgeschlagene Verwaltungsräte und Boni.
Nicht bloss "Shareholder Activism"
Doch nicht bloss beim "Shareholder Activism" will der Fonds weiter zulegen. Ein Ziel ist auch die Nachhaltigkeit. Dimson setzt die Latte hoch: "Verantwortungsvolles Investieren ist heute ein grosses Thema in Europa. Und Norwegen wäre stolz darauf, der verantwortungsbewussteste Investor der Welt zu sein."
Ausweichend nimmt Dimson zur Frage Stellung, ob auch die Schweiz einen Staatsfonds gründen sollte. Unähnlich seien die Strukturen aber nicht: "Das Schweizer Modell ähnelt ein wenig demjenigen des Internationalen Währungsfonds, der ebenfalls einen Teil seiner Goldbestände verkauft hat und somit eine Art staatlichen Vermögensfonds geschaffen hat."
In der Schweiz flammten im Juni des letzten Jahres die Diskussionen über die Gründung eines Staatsfonds auf. Die Befürworter, darunter Exponenten der SVP, der CVP und der SP, sehen darin die Chance, einen Teil des Devisenbestands der SNB durch einen Staatsfonds verwalten zu lassen, der das Geld in ausländische Aktien investiert. Der SNB könnten somit Bilanzrisiken teilweise abgenommen werden, und die Notenbank könnte sich stärker auf die Kernaufgaben der Geldpolitik konzentrieren.
Gegner des Staatsfonds, die SNB selber oder Economiesuisse, argumentieren, dass Devisenreserven nicht vergleichbar seien mit einem durch Rohstoff-Einnahmen gespiesenen Fonds. Wenn sich die Lage an den Devisenmärkten einmal stabilisiere, will die SNB ihre Fremdwährungsbestände schnell reduzieren. Auch entstünden für die SNB Interessenkonflikte.