Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel warf Syriens Verbündeten Russland und Iran eine Mitschuld an Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung in der umkämpften Stadt vor. Diese müssten geahndet werden, verlangte die Kanzlerin. Dem UNO-Sicherheitsrat warf Merkel Versagen vor.

Angesichts der Kriegsgräuel will die EU alle verfügbaren diplomatischen Kanäle nutzen, um die Not der Menschen zu lindern. "Uns ist das Leiden nicht egal", sagte Ratspräsident Donald Tusk. Ziel seien humanitäre Korridore in das zerstörte Ost-Aleppo, freier Zugang für Helfer und eine Evakuierung unter internationaler Aufsicht.

BÜRGERMEISTER EINGELADEN

Tusk gestand allerdings ein, dass "wir nicht so effektiv sind, wie wir es gerne wären". Er hatte den Bürgermeister von Ost-Aleppo zum Gipfel geladen, um "die Stimme der Menschen von Aleppo zu hören, zumindest auf diese symbolische Weise".

Merkel nannte dessen Bericht sehr deprimierend. "Dieser Teil der Diskussion, das will ich nicht verschweigen, war sehr deprimierend, weil wir alle etwas sehen im 21. Jahrhundert, was zum Schämen ist, was das Herz bricht, was zeigt, dass wir politisch nicht so handeln konnten, wie wir gerne handeln würden."

In Aleppo hatte am Donnerstag die Evakuierung von Menschen aus dem belagerten Ostteil begonnen. Der französische Präsident François Hollande warnte aber am Donnerstagabend in Brüssel, in Ost-Aleppo befänden sich noch 50'000 Menschen "in der Falle".

Im Dauerstreit über die EU-Asylpolitik kamen die Staats- und Regierungschefs kaum voran. Tusk räumte ein: "Wir wissen, dass noch mehr zu tun ist." Merkel hatte schon zu Beginn klargestellt, dass sie verstärkt auf den Kampf gegen Menschenschlepper und gegen die Fluchtursachen setzt. Die Debatte soll nach Tusks Worten beim informellen EU-Gipfel auf Malta im Februar fortgesetzt werden.

Die Staats- und Regierungschefs bekannten sich aber erneut zum Flüchtlingspakt mit der Türkei. Tusk stellte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einen Gipfel Anfang 2017 in Aussicht. Dann könnte es auch um die Vertiefung der Zollunion mit Ankara gehen, sagte Tusk.

MEHR MILITÄRAUSGABEN

Die 28 EU-Staaten sind sich nun auch grundsätzlich einig über den Ausbau ihrer Zusammenarbeit bei der Verteidigung und bekennen sich dazu, zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen - also mehr für das Militär auszugeben.

Trotz Milliardenverlusten für die eigene Wirtschaft sprachen sie sich auch für die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland bis mindestens 31. Juli 2017 aus. Verhängt worden waren sie 2014 wegen der Ukraine-Krise. Verlängert wurden die Handels- und Investitionsbeschränkungen nun, weil das Minsker Waffenstillstandsabkommen nach wie vor nicht umgesetzt ist.

Auch mit einer weiteren Entscheidung stellten sich die 28 Staats- und Regierungschefs gegen Russland: Mit einer Zusatzerklärung wollen sie den Weg zur Ratifizierung des von Moskau scharf kritisierten Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine ebnen.

OHNE GROSSBRITANNIEN

Das Abkommen lag auf Eis, weil niederländische Wähler im Frühjahr bei einem Referendum mehrheitlich dagegen gestimmt hatten. Die rechtsverbindliche Erklärung soll die Bedenken ausräumen. Sie hält vor allem fest, dass das Abkommen der Ukraine nicht die Tür zur EU-Mitgliedschaft öffnet.

Ministerpräsident Mark Rutte zeigte sich erleichtert: "Die EU kann jetzt die Front gegen die destabilisierende Politik Russlands geeint halten." Das Abkommen sieht deutlich engere Beziehungen sowie Zollfreiheit zwischen der Ukraine und der EU vor. Russland sieht die Westbindung der Ukraine grundsätzlich kritisch.

Ohne Grossbritannien vereinbarten die 27 bleibenden Mitglieder auch einige Grundsätze für die Verhandlungen über den Brexit, die nächstes Jahr beginnen sollen.

mk

(AWP)