Beide Staaten wollten eigentlich frühestens nach den Europawahlen im kommenden Mai ein positives Signal an Albanien und Mazedonien aussenden. Als Grund gilt vor allem die Sorge, dass eine solche Entscheidung den heimischen Rechtspopulisten nützen könnte, die gerne Ängste vor einer weiteren EU-Erweiterung schüren. Dass mit der Aufnahme von Gesprächen keinerlei Versprechen auf die Aufnahme in die EU gegeben wird, verschweigen Kritiker gerne.

Mit den Beitrittsverhandlungen will die EU Albanien und Mazedonien für ihre bisherigen Reformbemühungen belohnen und sie zu weiteren Anstrengungen ermuntern. Albanien und Mazedonien hätten "bemerkenswerte Fortschritte" gemacht, sagte der deutsche Europastaatsminister Michael Roth (SPD) am Dienstag am Rande der Verhandlungen in Luxemburg.

Zudem spielen sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen der EU eine Rolle. Die Westbalkanstaaten - zu denen neben Mazedonien und Albanien auch Montenegro, Serbien, Bosnien-Herzegowina und das Kosovo zählen - liegen inmitten der EU und grenzen an Mitgliedsländer wie Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Kroatien. Als besonders heikel gilt in Brüssel das "Loch" inmitten der EU, da Russland, China und die Türkei ihren Einfluss in der Region derzeit deutlich ausbauen.

"Wir alle müssen anerkennen, dass Frieden, Stabilität und Demokratie im Westbalkan eine herausgehobene Bedeutung für uns alle in der Europäischen Union haben", kommentierte Roth.

Dem Beschluss der EU-Staaten am Dienstagabend waren nach Angaben von Diplomaten äusserst schwierige Diskussionen vorausgegangen. Der Kompromiss sieht nun vor, den offiziellen Start der Beitrittsverhandlungen an eine weitere Bewertung von Reformanstrengungen zu knüpfen. So soll Albanien noch einmal Fortschritte in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit und Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität nachweisen. Bei Mazedonien geht es unter anderem um Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung und Reformen der öffentlichen Verwaltung.

Bis Albanien und Mazedonien wirklich Mitglied der Europäischen Union werden, dürften aber noch Jahre vergehen. Grund sind erhebliche Defizite auch im politischen und wirtschaftlichen Bereich. Ob die Bedingungen letztendlich erfüllt sind, kann nur per einstimmiger Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten festgestellt werden.

Dass Beitrittsgespräche bei Rückschritten auch vollkommen zum Stillstand kommen können, zeigt aktuell das Beispiel Türkei. Die Verhandlungen mit dem Kandidatenland begannen bereits 2005, liegen aber wegen der Entwicklungen in dem Land derzeit de facto auf Eis.

Unklar blieb am Dienstag, inwieweit das grüne Licht der EU-Staaten auch mit der Zusage Albaniens zu tun hat, den Aufbau von Auffangcamps für Flüchtlinge in Erwägung zu ziehen. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und auch EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hatten sich zuletzt für die Einrichtung solcher Lager ausserhalb der derzeitigen EU-Aussengrenze ausgesprochen.

Ein "Nein" der EU zu Beitrittsverhandlungen wäre vor allem für Mazedonien ein herber Rückschlag gewesen. Das Land hatte sich erst vor kurzem grundsätzlich bereiterklärt, seinen Namen in Nord-Mazedonien zu ändern, um damit einen jahrelangen Streit mit Griechenland beizulegen. Wegen diesem hatte bislang die Regierung in Athen die Aufnahme von Beitrittsgesprächen blockiert. Griechenland forderte eine Namensänderung, weil auch eine nordgriechische Provinz Mazedonien heisst.

Neben Mazedonien und Albanien sind bislang Montenegro und Serbien offizielle Beitrittskandidaten. Mit ihnen werden sogar schon Verhandlungen geführt. Bosnien-Herzegowina und das Kosovo gelten bislang lediglich als potenzielle Kandidaten für Verhandlungen./aha/cpe/DP/he

(AWP)