Die Verhandlungen dazu wurden nach über 16 Stunden und einer Nachtsitzung am Mittwochmorgen abgebrochen, wie Eurogruppen-Chef Mario Centeno mitteilte. "Wir sind sehr weit einig geworden, aber noch nicht ganz", sagte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz am Vormittag in Berlin. Hoffentlich werde es noch vor Ostern eine Einigung geben. Die Gespräche sollen am Donnerstag fortgesetzt werden.

SPD-Politiker Scholz will vor allem mit drei Massnahmen helfen - Darlehen der europäischen Förderbank EIB für kleine und mittelständische Unternehmen, Kreditlinien aus dem Rettungsfonds ESM sowie einer europäischen Variante des deutschen Kurzarbeitergeldes.

Die ersten beiden Punkte hätten jeweils ein Volumen von rund 200 Milliarden Euro, letzterer von 100 Milliarden. In Verhandlungskreisen hiess es, Italien und die Niederlande hätten sich in der Nacht verhakt. Dabei sei es um Auflagen für milliardenschwere Hilfskredite aus dem ESM gegangen, die in der Regel an Bedingungen geknüpft sind. Die Regierung in Rom will aber wegen der riesigen Lasten durch die Pandemie keine Auflagen akzeptieren, weil das Land unverschuldet in die Krise gerutscht ist.

 

 

Scholz sagte, es dürfe maximal geringe Auflagen geben, die konkret auf die Pandemie bezogen seien. Ein Beispiel dafür wäre, Ausgaben nur auf das Gesundheitssystem zu beschränken. Eine Verknüpfung mit dem Renten- oder Steuersystem sowie den Strukturen auf dem Arbeitsmarkt lehnte Scholz ab. Das sei nicht angemessen und zielführend, auch dürfe es keine Überprüfung von Massnahmen geben - ein Seitenhieb auf den niederländischen Finanzminister Wopke Hoekstra.

Dieser twitterte, ein ESM-Einsatz zur wirtschaftlichen Stabilisierung eines Landes müsse mit Auflagen verknüpft werden. Dem widersprach auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire. Der ESM sei genau für solche Krisen geschaffen worden. Auflagen seien in der jetzigen Situation nicht nötig.

«Schämt Euch, Schande für Europa»

Politiker der Grünen werteten den Streit als "bitteres Signal für Europa". Eine an den Verhandlungen beteiligte Person sagte, zu scharfe Auflagen nützten am Ende nur populistischen Parteien in Italien oder Spanien. Le Maire soll einem anderen Regierungsvertreter zufolge in der Nacht der Kragen geplatzt sein, er habe gewütet: "Schämt euch, eine Schande für Europa. Hört auf mit dieser albernen Show."

Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar verteidigte dagegen die Position der Niederländer: Eine Verknüpfung mit konkreten Reformen sei sinnvoll, "damit die Kredite auch wirklich zurückgezahlt werden". Denn in Europa könnte die starke Verschuldung vieler Länder bald schon wieder für Ungemach sorgen. Nicht jeder sei in so einer komfortablen Situation wie Deutschland, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser und nannte explizit Italien.

"Die Gefahr ist gross, dass wir im Euro-Raum wieder in eine Staatschuldenkrise kommen." Italien ist jetzt schon nach Griechenland das am stärksten verschuldete Land der Euro-Zone.

Warnungen von EZB und EU-Kommission

Die EU-Kommission hat Insidern zufolge die Finanzminister in den Beratungen gewarnt, dass die Wirtschaft in der Euro-Zone dieses Jahr um bis zu zehn Prozent einbrechen könnte. Die Europäische Zentralbank habe erläutert, wegen der Pandemie seien womöglich Hilfen im Volumen von bis zu 1,5 Billionen Euro nötig.

Neben Deutschland seien aber auch andere Euro-Staaten aus dem Norden nur für Massnahmen im Umfang von 500 Milliarden Euro gewesen. Frankreich, Italien und Spanien hätten sich für mindestens eine Billion Euro ausgesprochen.

Nach Ansicht der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute steigen mit der Dauer der Viruskrise die Risiken für die Solvenz einiger Eurostaaten. "Bereits die beschlossenen Massnahmen stellen eine ausserordentliche Belastung für die öffentlichen Haushalte dar", heisst es in dem am Mittwoch vorgestellten Gutachten der Institute um das Münchner Ifo. Sie rechnen damit, dass in Italien mit einem Budgetdefizit von 9,2 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zu rechnen ist. Für Spanien erwarten sie einen Wert von 8,2 Prozent. Der erlaubte Höchstwert liegt bei drei Prozent.

Einigkeit zu Wiederaufbaufonds

Im Grundsatz einig waren sich die Finanzminister, dass es nach der Krise einen Wiederaufbaufonds geben sollte, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Wie sich dieser dann refinanzieren soll, ist aber umstritten.

Denn sogenannte Euro-Bonds - gemeinsame Schulden - sind für zahlreiche Staaten wie Deutschland, die Niederlande und Österreich eine rote Linie, während Italien, Spanien und auch Frankreich dafür sind. Hier sind die Positionen weit auseinander, so dass eine Einigung in diesem Punkt unwahrscheinlich erscheint.

Die Bundesregierung will lieber Mittel aus dem EU-Haushalt für den Wiederaufbaufonds einsetzen. Das Thema dürfte auch bei den Verhandlungen zum mittelfristigen Finanzrahmen der EU eine Rolle spielen. Scholz sagte, sobald sich die gesundheitliche Lage stabilisiere, müsse es ein Konjunkturprogramm geben. Daran sei in den nächsten Wochen und Monaten zu arbeiten. 

(Reuters)