Zwei Einschränkungen gibt es: Steuerfrei ist die Ausschüttung nur, wenn die Einlagen den Aktiennennwert übersteigen. Und von der Steuerbefreiung profitieren ausschliesslich Privatanleger.

Mit der von der Stimmbevölkerung angenommenen und anfangs 2020 in Kraft getretenen AHV-Steuervorlage (Staf) wurde das Kapitaleinlagenprinzip zusätzlich eingeschränkt. Börsenkotierte Unternehmen dürfen steuerfrei nur noch den Betrag aus den Einlagen ausschütten, den sie auch als steuerbare Dividende auszahlen.

Zunahme der Kapitaleinlagen flacht ab

Das zeigt erste Auswirkungen auf die Summe der Kapitaleinlagen in der Schweiz. Nach einem steten Anstieg dank der ab 2011 geltenden Steuerbefreiung zeigt sich seit Ende 2019 eine Abflachung, wie einer am Freitag veröffentlichten Statistik der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu entnehmen ist.

In den Kassen der Unternehmen lagen Ende Juni 1,376 Billionen Franken als Ausschüttungsreserve oder eben Kapitaleinlage. Am Jahresende 2019 waren es noch 1,393 Billionen gewesen. Seit Inkrafttreten der Steuerreform II im Jahr 2011 hatten die Unternehmen immer höhere Kapitaleinlagen angehäuft.

Gleich zu Beginn wurden 508 Milliarden Franken in die Einlagen geleitet. Steuerfrei an die Aktionäre ausbezahlt wurden damals 22 Milliarden. Gemäss den Daten der Steuerverwaltung betrugen die Ausschüttungsreserven 2011 am Jahresende 461 Milliarden Franken.

Ende 2014 hatten sie bereits die Billionengrenze durchbrochen. Die steuerfreien Ausschüttungen an die Aktionäre erreichten 2018 mit 308 Milliarden Franken einen Höchststand. 2019 legten die Unternehmen vor Inkrafttreten der weiteren Einschränkung mit 213 steuerbefreiten Milliarden für die Aktionäre noch einmal kräftig nach.

In die Kaptaleinlagen flossen noch 273 Milliarden Franken. 2020 sank diese Sparfreude dann merklich. Bis Ende Juni wurde der Eidgenössischen Steuerverwaltung gerade noch ein Zustrom von 39 Milliarden gemeldet.

Umstrittenes Privileg

Die steuerfreie Ausschüttung der Kapitaleinlagen ist ein jahrelanger Zankapfel in der Schweizer Steuerpolitik. Die Steuerreform III scheiterte unter anderem am Kapitaleinlagenprinzip, da dem Fiskus dadurch Milliarden durch die Lappen gehen.

Vor der Volksabstimmung über die Unternehmenssteuerreform II legte der Bundesrat bezüglich der Steuerausfälle viel zu positive Einschätzungen vor. Im Abstimmungsbüchlein bezifferte das Eidgenössische Finanzdepartement unter dem damaligen FDP-Bundesrat Hans-Rudolf Merz die Ausfälle auf 83 Millionen beim Bund und etwa 850 Millionen Franken bei den Kantonen. Die Stimmberechtigten hiessen die Unternehmenssteuerreform am 24. Februar 2008 mit 50,5 Prozent knapp gut.

Tatsächlich büsste der Fiskus wegen des Kapitaleinlagenprinzips innert zehn Jahren etwa sechs Milliarden Franken ein, wie der Bundesrat später einräumen musste. Das Bundesgericht kritisierte die Falschinformation des Bundesrates zu den Auswirkungen der Vorlage harsch, lehnte aber eine Wiederholung des Urnengangs ab.

Befreiungsschlag mit AHV-Steuervorlage

Die dritte Unternehmenssteuerreform stand damit unter einem schlechten Stern und scheiterte im Februar 2017 an der Urne. Der Handlungsbedarf indessen blieb bestehen, weil die Schweiz auf Druck der EU und OECD Steuerprivilegien für Holding- und andere Spezialgesellschaften abschaffen und deren gleiche Besteuerung in den Kantonen sicher stellen musst.

Mit der Verknüpfung der Unternehmenssteuerreform mit der AHV-Finanzierung gelang dann 2019 der Befreiungsschlag. Auch die AHV-Reform hatte das Volk im Februar 2017 abgelehnt.

Die Eckpunkte der gescheiterten Steuerreform III - Lizenzboxen und tiefere Gewinnsteuern - wurden beibehalten. Im Gegenzug erhält die AHV zwei Milliarden Franken mehr im Jahr, in etwa den Betrag der erwarteten Steuerausfälle wegen der neuen Vergünstigungen. Finanziert wird das durch höhere Beiträge und aus der Bundeskasse. Die Vorlage erhielt an der Urne 66,4 Prozent Zustimmung.

(AWP)