Der Flowtex-Fall begann 2015 vor dem Bezirksgericht Frauenfeld und entwickelte sich zu einem der aufwendigsten Verfahren der Thurgauer Justizgeschichte. Nach Schuldsprüchen wegen Geldwäscherei und Urkundenfälschung vor zwei Instanzen kam 2019 die Wende: Das Bundesgericht hob die Urteile auf.

Am Donnerstagnachmittag ging es deshalb vor dem Obergericht nur noch um die Folgen der Freisprüche: Verhandelt wurden Entschädigungen für die Beschuldigten und die Verteilung der Verfahrenskosten.

Grosser Betrugsfall als Ursprung

Der Ursprung des Falls liegt bei einem Wirtschaftsdelikt, das in Deutschland im Jahr 2000 Schlagzeilen machte. Der Flowtex GmbH waren Betrügereien in Milliardenhöhe mit Bohrsystemen nachgewiesen worden. Ein Teil der illegalen Gewinne blieb aber nach der Strafuntersuchung verschwunden.

Um diese Vermögenswerte ging es in den Verfahren im Thurgau: Die Anklage warf dem ehemaligen Flowtex-Geschäftsführer, seiner Ex-Frau sowie deren Anwalt vor, Luxusgüter, Gelder und Kunstwerke im Wert von 25 Millionen Franken in die Schweiz verschoben und so gewaschen zu haben.

Das Bundesgericht stellte dann aber fest, die ertrogenen Vermögenswerte seien in Deutschland gemäss den damals geltenden Gesetzen nicht einziehbar gewesen. Geldwäscherei könne jedoch nur an Vermögenswerten begangen werden, die einziehbar seien.

Hohe Forderungen des Anwalts

Im Zentrum der Verhandlung am Donnerstagnachmittag stand der freigesprochene Anwalt. Seine Kanzlei habe wegen des Strafverfahrens grosse Einbussen erlitten, führte der heute 71-Jährige aus. Unter anderem sei ihm auch ein Verwaltungsratsmandat in einem Unternehmen entgangen. Ein Vertreter dieser Firma sagte als Zeuge vor Gericht, dass man damals wegen Gerüchten von der Wahl abgesehen habe.

Der Rechtsvertreter des Anwalts machte eine ganze Reihe von Ansprüchen geltend. Der grösste Posten sind Entschädigungen für wirtschaftliche Einbussen in der Höhe von 4 Millionen Franken. Die Verteidigungskosten sollten mit 1,1 Millionen Franken entschädigt werden, die Honorare für Gutachten mit 317'000 Franken. Neben anderen Posten findet sich im Forderungskatalog auch eine Genugtuung vom 50'000 Franken.

Reduktion verlangt

Der Anwalt habe dafür gesorgt, dass sich Verbrechen lohne, sagte der Staatsanwalt in der Verhandlung. Es habe sich um kriminelle Vermögen gehandelt, deren Herkunft verschleiert werden sollten. Der Freispruch des Bundesgerichts sei nur erfolgt, weil nach damaligem deutschen Recht eine Einziehung nicht möglich gewesen sei.

Eine Reduktion der Forderungen - teilweise auf das absolut Minimum - sei möglich, ohne die Unschuldsvermutung zu verletzen, argumentierte der Staatsanwalt. Der Entscheid des Obergerichts folgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Über die Entschädigungen für den ehemaligen Flowtex-Geschäftsführer sowie für dessen Ex-Frau ist bereits separat und in einem schriftlichen Verfahren entschieden worden. Die Urteile lägen vor, seien aber noch nicht verschickt worden, sagte die Obergerichtspräsidentin auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

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(AWP)