In Kernthemen der deutschen G20-Präsidentschaft droht Uneinigkeit - und als Hauptverantwortlichen dafür gilt den meisten Beteiligten der neue US-Präsident Donald Trump. Stand in früheren Zeiten oft schon Wochen zuvor das Grundgerüst für das Abschlusskommuniqué, das die gemeinsame Positionen der führenden Industrie- und Schwellenländer festhält, so heisst es dieses Mal in zentralen Themenfeldern: alles noch unklar. Dabei hat diese Erklärung Gewicht, wie die Bundesregierung selbst unterstreicht. "Die Ergebnisse münden in eine Abschlusserklärung, die eine erhebliche politische Bindungswirkung hat".

Dass der Hamburger Gipfel kaum ein starkes Signal der Gemeinsamkeit bei der Lösung zentraler Herausforderungen in der Welt aussenden wird - was einmal die Qualität der G20-Treffen ausmachte - weiss auch Gastgeberin Angela Merkel. "Ich sage sehr schwierige Diskussionen in Hamburg voraus", erklärte die Bundeskanzlerin am Donnerstag im Bundestag. Sie verband das mit einer eindringlichen Mahnung zur Einigkeit. Sie will aber, auch das sagte sie, die massiven Meinungsunterschiede, wie sie etwa mit Trump in der Klimapolitik bestehen, nicht zudecken, sondern offen austragen.

Weltwirtschaft und Handel

Traditionell zentrale Beratungsfelder sind bei den Gipfeln ökonomische Fragen, wie die Sicherung eines nachhaltigen globalen Wachstums und eines möglichst freien Handels sowie die Regulierung der Finanzmärkte. Schon hier ist das Streitpotential hoch, vor allem wenn es um den Handel geht. Nicht nur Trump beklagt unfaire Handelspraktiken und denkt an Importhürden für alle, die die USA-Wirtschaft bedrohen. Auch in anderen G20-Ländern wächst der Hang zum Protektionismus.

Unter den Ländern, die 2016 die meisten neuen Handelshürden aufbauten, befinden sich auch G20-Staaten wie China, Russland und Indien, wie EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström unlängst anmerkte. Ob es angesichts dessen gelingt, noch einmal ein Bekenntnis gegen Protektionismus und für freien Handel ins G20-Kommunique zu schreiben, worauf sich Trump beim G7-Gipfel im italienischen Taormina noch überraschend eingelassen hatte, bezweifeln Gipfel-Insider. Das von Merkel erhoffte "deutliche Signal für freie Märkte und gegen Abschottung" ist jedenfalls noch nicht in Sicht.

Klima

Noch dramatischer sieht es beim Thema Klimaschutz aus. Nachdem die Länder dieser Welt jahrelang darum rangen, sich mit dem Pariser Klimaschutzabkommen gemeinsame Ziele zu setzen, hat Trump inzwischen wieder den Rückzug eingeleitet. Er hält die Klimaerwärmung für kein existentielles Problem, lehnt eine Klimaschutzpolitik als Behinderung amerikanischer Unternehmen ab und setzt auf fossile Energien, wie das durch Fracking gewonnene Gas aus den USA.

Daher fragen sich manche an den Gipfelvorbereitungen beteiligte Diplomaten, ob nicht noch andere Länder wie womöglich die Türkei, Saudi-Arabien oder auch Indien den Klimaschutz nun wieder etwas niedriger hängen. Aussparen will Merkel das strittige Thema beim Gipfel aber nicht. Sie gibt sich kämpferisch und spricht offen von einem "Dissens" mit den USA. Wie sich das letztlich im Kommuniqué niederschlagen wird, ist derzeit noch nicht absehbar.

Afrika

Zu einem der ganz grossen Gipfel-Themen wollte Deutschland die Unterstützung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in Afrika machen. Basis dafür ist der Vorschlag für umfassende, länderspezifische Partnerschaften von G20-Staaten mit reformwilligen Ländern des schwarzen Kontinents. Zu einer zweitägigen Konferenz dazu waren kürzlich eine ganze Reihe von afrikanischen Staats- und Regierungschefs nach Berlin gekommen. Im Kern geht es um eine Initiative mit dem Namen "Compact with Africa", die Investitionspartnerschaften von einzelnen reichen und armen Staaten vorsieht.

Vorrangiges Ziel ist es, die Bedingungen für private Investitionen in Afrika zu verbessern und damit Investoren in die Länder zu locken. Doch es geht um mehr: Verhilft man Afrika zu mehr Wachstum und Wohlstand, dämpft das die Neigung vieler Menschen dort, das Land zu verlassen und als Flüchtlinge anderswo ihr Heil zu suchen. Die Resonanz der G20-Staaten auf die Initiative ist gross, sagen ihre Initiatoren, doch kann das die anderen Streitpunkte wohl letztlich kaum überdecken.

Digitalisierung, Gesundheit, Frauen

Auch das für die deutsche Präsidentschaft als Schwerpunkt definierte Thema Digitalisierung zündete in der G20 bislang nicht wie erhofft. Eine vorbereitende Fachministerkonferenz der G20 dazu in Düsseldorf, die erste dieser Art, fand allenfalls geringe Beachtung in der Welt. Auch waren etliche Länder dort nicht auf Ministerebene vertreten. Dabei sind alle sich darin einig, dass es hier um ein Feld geht, was über die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Staaten und Unternehmen und damit für Jobs und Wachstums mitentscheidend ist.

Ähnlich sieht es mit einem weiteren Thema auf, bei dem Merkel Akzente setzen wollte: dem globalen Gesundheitsschutz. Obwohl die Kanzlerin Merkel auf der ersten Gesundheitsministerkonferenz der G20 selbst auftrat und das Treffen damit aufwertete, verpuffte es im öffentlichen Interesse weitgehend. Nur eine überschaubare Zahl von Journalisten aus aller Welt nahmen sich Zeit, um über mehr internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Pandemien und Antibiotika-Resistenzen zu berichten, ein Thema, das auch massive ökonomische Auswirkungen hat.

Als persönliches Anliegen hat die Kanzlerin das Thema Frauenförderung in die G20 eingebracht. Das Ziel hat schon ein früherer Gipfel gesetzt: die Lücke der Erwerbsbeteiligung von Frauen bis 2025 um ein Viertel zu reduzieren und die Qualität der Frauenerwerbstätigkeit zu verbessern. Ausserdem will Deutschland die G20 dazu veranlassen, den Zugang von Frauen in Entwicklungsländern zu Unternehmertum und Bildung zu fördern. Dazu soll bei der Weltbank ein spezielles Kreditinstrument geschaffen werden. Bislang allerdings ist dazu in der Öffentlichkeit lediglich in Erinnerung geblieben, dass die Trump-Tochter Ivanka, die als einflussreiche Beraterin ihres Vaters gilt, einem Frauengipfel der G20 in Berlin mit ihrer Anwesenheit Glanz verlieh.

(Reuters)