Die Europäische Zentralbank (EZB) brachte am Donnerstag ein umfassendes Paket zur Stützung der Wirtschaft auf den Weg, das eine weitere Zinssenkung, erneute Anleihenkäufe und Erleichterungen für Banken enthält. Zugleich forderte Draghi von Staaten wie Deutschland mehr Einsatz gegen die Konjunkturschwäche.

Mit den Beschlüssen rückt ein Ende der vor allem in Deutschland scharf kritisierten ultralockeren Geldpolitik in weite Ferne, was der künftigen neuen EZB-Chefin Christine Lagarde die Marschrichtung vorgibt. Vor allem aus der Finanzbranche fiel die Kritik hart aus. Auch US-Präsident Donald Trump meldete sich zu Wort und warf der EZB vor, der US-Wirtschaft zu schaden.

Draghi verteidigte die Maßnahmen. "Die länger anhaltende Abschwächung der Konjunktur in der Euro-Zone ist sogar mehr ausgeprägt als erwartet", sagte er. "Wir glauben weiterhin, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in der Euro-Zone niedrig ist, aber sie steigt." Die Inflationsrate liege zudem anhaltend unter dem Notenbankziel.

Die EZB-Ökonomen senkten zur Zinsitzung auch ihre Wachstums- und Inflationsprognosen für dieses und das nächste Jahr. Die EZB strebt knapp zwei Prozent Inflation als Idealwert für die Wirtschaft an. Sie verfehlt dieses Ziel bereits seit Jahren. Draghi sieht vor allem die Staaten ohne Haushaltsnöte bei der Bekämpfung der Konjunkturschwäche gefordert. "Es ist höchste Zeit, dass die Fiskalpolitik Verantwortung übernimmt." Darüber herrsche im EZB-Rat volle Einigkeit. Länder mit Handlungsspielraum im Haushalt seien gefordert, "wirksam und rechtzeitig" zu handeln.

Eine Art Strafsteuer

Um gegenzusteuern, will die EZB die in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufe wieder aufnehmen. Bis zur Einstellung des Programms Ende 2018 hatte die EZB Papiere im Volumen von 2,6 Billionen Euro gekauft. Ab November sollen pro Monat neue Zukäufe im Umfang von 20 Milliarden Euro hinzukommen. Die Käufe sollen erst dann gestoppt werden, wenn die EZB kurz vor einer Zinserhöhung steht. Der Beschluss war allerdings umstritten. Insidern zufolge war auf der Zinssitzung nur eine relativ knappe Mehrheit dafür. Bundesbank-Chef Jens Weidmann, Frankreichs Notenbank-Gouverneur Francois Villeroy de Galhau sowie auch EZB-Direktor Benoit Coeure seien gegen neue Käufe gewesen.

Die Währungshüter hoben auch die Strafzinsen für Banken an, wenn diese überschüssige Gelder bei der Notenbank parken. Der sogenannte Einlagensatz wurde auf minus 0,5 Prozent von bislang minus 0,4 Prozent gesenkt. Ein Minuszeichen beim Einlagenzins bedeutet, dass die Institute Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken. Der Satz ist bereits seit 2014 negativ.

Um die Folgen für die Institute abzumildern, kündigte die EZB eine Staffelung der Strafzinsen an, Geplant ist laut EZB ein zweistufiges System. Ein Teil der Überschussliquidität der Banken soll so ähnlich wie in der Schweiz und in Japan von den Strafzinsen ausgenommen werden. Dennoch kam Kritik von den Banken: "Auch wenn der jetzt eingeführte Staffelzins eine gewisse Erleichterung bringt, werden die europäischen Banken weiterhin jedes Jahr Milliarden an die EZB als eine Art Strafsteuer zahlen müssen", sagte Hans-Walter Peters, Präsident des Bankenverbandes BdB."

Angepasster Ausblick

Die Euro-Wächter passten zudem ihren Ausblick an. Nunmehr wollen sie ihre Schlüsselzinsen solange auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau halten, bis das Inflationsziel von knapp zwei Prozent in Reichweite gelangt ist. Bislang stellten sie bis Mitte 2020 stabile oder niedrigere Schlüsselsätze in Aussicht. Die EZB hatte letztmalig 2011 ihre Zinsen angehoben.

Die Börsen reagierten heftig auf die Beschlüsse. Der Euro fiel zeitweise unter die Marke von 1,10 Dollar und näherte sich damit dem 28-Monats-Tief Anfang des Monats. Der Index für die Banken der Euro-Zone reagierte auf den EZB-Entscheid mit einer Berg- und Talfahrt und schloss 0,4 Prozent im Plus. "Das ist Mario Draghis Abschiedsgeschenk an die Märkte", erklärte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert.

US-Präsident Trump kritisierte dagegen auf Twitter, die EZB habe erfolgreich den Euro gegenüber dem "sehr starken Dollar" abgewertet. Dies schade den US-Exporteuren. Draghi ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen. "Wir haben ein Mandat: Wir wollen Preisstabilität liefern", sagte er. "Wir zielen nicht auf Wechselkurse ab. Punkt."

Für Draghi war dies die vorletzte Zinssitzung. Ende Oktober läuft seine Amtszeit nach acht Jahren ab. Er dürfte dann der erste EZB-Präsident sein, in dessen Amtszeit die Notenbank kein einziges Mal ihre Zinsen angehoben hat. Die ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und frühere französische Finanzministerin Lagarde soll ab November das Ruder bei der Notenbank übernehmen.

(Reuters)