Die US-Notenbank (Fed) fährt die in der Corona-Pandemie aufgelegten Krisenhilfen Zug um Zug zurück. Die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell entschieden, ihre Wertpapierkäufe im Umfang von derzeit monatlich 120 Milliarden Dollar ab Mitte November abzuschmelzen. Zunächst soll das Volumen der Anleihekäufe um zehn und das der Hypothekenpapiere um fünf Milliarden verringert werden.

Die Operation soll im Dezember in gleichem Umfang wiederholt werden. Dieser im Fachjargon als Tapering bekannte Prozess der allmählichen Dosisverringerung der Geldspritzen soll im nächsten Jahr abgeschlossen sein:

THOMAS GITZEL, VP BANK

"Die Fed weiss, dass sie derzeit einen heissen Reifen fährt. Ein geldpolitischer Strategiewechsel tat Not. Einerseits hat das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt sein Ausgangsniveau vor der Krise wieder überschritten, andererseits haben Inflationsrisiken merklich zugenommen. Die US-Währungshüter sind auch ihren Beschäftigungszielen näher gerückt. Für Notmassnahmen besteht gegenwärtig also keine Notwendigkeit mehr. Es ist deshalb richtig, wenn die Fed den Einstieg in den Ausstieg der expansiven Geldpolitik wagt."

 

 

BASTIAN HEPPERLE, BANKHAUS LAMPE

"Der Startschuss für das Tapering ist gefallen. Läuft alles nach Plan, dürfte dieses Mitte 2022 beendet sein. Die US-Notenbank erwartet weiterhin, dass der Inflationsanstieg vorübergehend ist. Für Ende 2022 bestehende Leitzinsanhebungserwartungen werden dadurch nicht zurückgedrängt. Das wird erst gelingen, wenn im Zuge einer spätzyklischen Entwicklung im zweiten Halbjahr 2022 die US-Konjunktursorgen zunehmen und die Inflationsrate wieder unter zwei Prozent liegt."

ELMAR VÖLKER, LBBW RESEARCH

"Jetzt ist es amtlich: Die US-Notenbank verabschiedet sich von ihrer durch die Coronakrise getriebenen ultra-lockeren Geldpolitik – wenn auch nur in gemässigtem Tempo. Angesichts der stark gestiegenen US-Inflation und der sukzessiven Erholung am US-Arbeitsmarkt ist dieser Schwenk mehr als gerechtfertigt. Da die Währungshüter ihren beginnenden Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik sorgfältig vorbereitet haben, ist nicht mit Verwerfungen an den Finanzmärkten zu rechnen. Ein wichtiges Signal in diesem Zusammenhang: Die Fed erwartet weiterhin, dass der erhöhte Inflationsdruck ein temporäres Phänomen ist. An dieser Einschätzung hängt nun ganz wesentlich der geldpolitische Kurs für die kommenden Monate: Geht die Teuerung im kommenden Jahr tatsächlich sukzessive zurück, dann dürfte die Fed bis zu einer Leitzinswende noch einige Zeit verstreichen lassen. Wir rechnen aktuell mit einem ersten Zinsschritt im vierten Quartal 2022. Sollte der Inflationsdruck jedoch hartnäckiger als gedacht bleiben, dann könnte sich sowohl der Ausstieg aus den Anleihekäufen als auch der Weg zu steigenden Leitzinsen merklich verkürzen."

FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW-INSTITUT

"Es ist nicht verwunderlich, dass die Fed lange vor der EZB mit einer Straffung ihrer Geldpolitik beginnt. Die konjunkturelle Erholung der USA ist weiter fortgeschritten, ausserdem ist die Fiskalpolitik noch expansiver als in Europa. Ein ganz massgeblicher Grund ist aber, dass sie nicht als Kreditgeber der US-Bundesstaaten auftritt, sondern nur Staatsanleihen des Zentralstaats kauft. Der Rückzug der Fed von den Staatsanleihekäufen ist somit kein unmittelbares Problem für US-Bundesstaaten. Die Lage in der Eurozone ist anders. Nur ein kleiner Teil der Anleihekäufe des Eurosystems entfällt auf Anleihen der europäischen Ebene, den Löwenanteil machen Staatsanleihen der Mitgliedstaaten aus. Es ist unsicher, ob die Finanzierung hoch verschuldeter Euro-Staaten noch funktionieren würde, wenn die EZB diese Anleihekäufe einstellt. Die Fed ist somit handlungsfähiger als die EZB, weil sie nicht die Liquidität von Teilstaaten des Währungsraums garantieren muss." 

(Reuters/cash)