Eine Woche vor der Sitzung des EZB-Rats sagten die von Bloomberg befragten Ökonomen, dass ein Ende der Anleihekäufe im März nächsten Jahres den Weg für die erste Zinserhöhung der EZB nach der Pandemie im September 2023 ebnen würde. Damit läge die Institution fast zwei Jahre hinter der Bank of England, die bereits die Kreditkosten erhöht hat, um die zunehmende Inflation einzudämmen.
Die meisten Umfrageteilnehmer sagten, dass das Konsumentenpreiswachstum in der Region – derzeit bei 5 Prozent – sich wahrscheinlich im nächsten Jahr unter der Zielmarke der EZB von 2 Prozent einpendeln wird, was die EZB unter geringeren Handlungsdruck setzt als die Notenbanken in Grossbritannien und den USA. Der Fokus des Rats wird nächsten Donnerstag darauf liegen, das Vorhaben zu bestätigen, die Pandemie-Notkäufe in diesem März zu stoppen, und sich zu verpflichten, Lohn-Preis-Spiralen zu verhindern, so die Ökonomen.
"Die EZB wird versuchen, ein vernünftiges Gleichgewicht zu finden zwischen ihrer Bereitschaft, den Kurs zu ändern, wenn sich der Inflationsdruck als hartnäckiger erweist, und ihrer Vorsicht, die Geldpolitik nicht voreilig zu straffen", sagte Kristian Tödtmann, Volkswirt bei der DekaBank.
Während sich die Bank of England auf ihre zweite Zinserhöhung in Folge in der nächsten Woche vorbereitet und die die US-Notenbank Federal Reserve nach einer Anhebung im März eine schnelle Straffung anstrebt, haben die Anleger ihre Wetten auf eine Zinserhöhung der EZB bereits auf dieses Jahr vorgezogen. Ratsmitglieder, darunter auch Präsidentin Christine Lagarde, haben diesen Erwartungen widersprochen und auf die "sehr unterschiedlichen Situationen" hingewiesen, in denen sich die drei Volkswirtschaften befinden.
Die Deutsche Bank gehört zu der kleinen Minderheit, die eine Anhebung im Dezember erwartet. Die befragten Analysten sehen im Schnitt eine Erhöhung des Einlagensatzes um 10 Basispunkte - derzeit bei -0,5 Prozent - erst im September 2023.
Das Wirtschaftswachstum hat sich Ende letzten Jahres drastisch verlangsamt, und der Internationale Währungsfonds hat bereits seine Prognosen für die Eurozone für 2022 gesenkt. Während die Unterbrechungen der Lieferketten, die den Aufschwung in der Region gebremst haben, sich voraussichtlich auflösen werden, haben sich die zunehmenden Spannungen an der russisch- ukrainischen Grenze als neues Risiko erwiesen.
Einige EZB-Ratsmitglieder warnen inzwischen, dass ein "länger anhaltendes" Inflationsszenario nicht ausgeschlossen werden könne, während andere argumentieren, dass die jüngsten Entwicklungen voll und ganz mit ihren Erwartungen übereinstimmen.
Die im Dezember veröffentlichten offiziellen Projektionen gehen von einem Preisanstieg von 3,2 Prozent im Jahr 2022 und 1,8 Prozent in den Jahren 2023 und 2024 aus. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass diese Erwartungen "wahrscheinlich" oder "sehr wahrscheinlich" eintreffen werden. Etwas mehr als ein Drittel bezeichnete es als "unwahrscheinlich" oder "sehr unwahrscheinlich".
(Bloomberg/cash)