Die Europäische Zentralbank hält am Nullzins fest und bereitet die Märkte auf eine Ausweitung ihrer großangelegten Pandemie-Anleihenkäufe vor. Der EZB-Rat sei voll und ganz bereit, den Umfang des PEPP getauften Notfall-Anleihenkaufprogramms zu erhöhen und dessen Zusammensetzung zu verändern - und zwar um so viel wie nötig und für so lange wie nötig, teilten die Währungshüter am Donnerstag nach ihrer Zinssitzung mit. Für Banken kündigte die EZB mehrere neue Liquiditätsspritzen an, um günstige Finanzierungsbedingungen sicherzustellen. Den Schlüsselzins zur Versorgung der Institute mit Geld beließ sie bei 0,0 Prozent. Auf diesem Rekordtief liegt er bereits seit März 2016.

"Die Euro-Zone ist mit einem Schrumpfen der Wirtschaft in einem Umfang und in einer Geschwindigkeit konfrontiert, die in Friedenszeiten bislang beispiellos ist", sagte EZB-Chefin Christine Lagarde. An der Börse kamen die Beschlüsse nicht gut an, da sich viele Investoren mehr erhofft hatten. Der Dax rutschte tiefer in die Verlustzone und büßte 1,3 Prozent auf 10.960 Punkte ein. Italienische Staatsanleihen gerieten unter Verkaufsdruck.

Sieben neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte

Aus Sicht von Alexander Krüger, Chefökonom beim Bankhaus Lampe, scheinen wegen der großen Konjunkturrisiken neue Maßnahmen nicht weit weg zu sein. "Die EZB wird an ihrem ultra-expansiven Kurs auch dann festhalten, sollte die Inflationsrate irgendwann urplötzlich über ihr Preisziel steigen." Uwe Burkert, Chefvolkswirt der LBBW, sieht vor allem die neuen Lquiditätsspritzen positiv. "Die EZB hat noch eine volle Breitseite Liquidität auf die Märkte abgefeuert", sagte er. "Was wir jetzt haben, kommt einer weiteren Zinssenkung gleich."

Die Euro-Wächter kündigten sieben neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte (PELTRO) an, um die Liquiditätsversorgung in Krisenzeiten zu stützen. Zudem will die EZB ihre zielgerichteten großen Geldspritzen für Banken, in der Fachwelt TLTRO III genannt, noch vorteilhafter gestalten. Ihren Einlagensatz hielt die EZB auf dem bisherigen Niveau von minus 0,5 Prozent. Damit müssen Banken weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Euro-Notenbank überschüssige Gelder parken. Inzwischen gibt es allerdings Freibeträge.

Die EZB hat in den vergangenen Wochen gleich anderen großen Zentralbanken bereits umfangreiche Maßnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Virus-Krise beschlossen. Dazu gehören unter anderem große Liquiditätsspritzen für Banken sowie zusätzliche Käufe von Staatsanleihen und anderen Titeln bis zum Jahresende. Damit summieren sich die für dieses Jahr geplanten Anleihenkäufe inzwischen auf 1,1 Billionen Euro. Auch die Regeln für Sicherheiten, die Geldhäuser für den Erhalt von Notenbank-Krediten einreichen müssen, wurden gelockert. Damit will die EZB Liquiditätsengpässe in der Finanzbranche verhindern.

Konjunktur bricht ein

Die Coronakrise hat die Konjunktur im Euro-Raum bereits jäh abstürzen lassen und die Inflation zugleich deutlich gebremst. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verringerte sich im Zeitraum von Januar bis März zum Vorquartal um 3,8 Prozent. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen 1995. Zugleich liegt die Inflationsrate im April mit nur noch 0,4 Prozent weit von den knapp zwei Prozent entfernt, die die EZB als Idealmarke für die Konjunktur anstrebt. Dieses Ziel verfehlt sie aber bereits seit Frühjahr 2013.

Rund um den Globus sind derzeit die großen Notenbanken als Feuerlöscher gefragt, um den Kreditfluss am Laufen zu halten und sicherzustellen, dass es zu keinen Finanzierungsengpässen in Folge der Krise kommt. Die US-Notenbank Fed legte unter anderem ein 2,3 Billionen Dollar schweres Notprogramm auf und senkte die Leitzinsen auf die Spanne von null bis 0,25 Prozent. Fed-Chef Jerome Powell versicherte, die Notenbank könne die Wirtschaft so lange wie nötig über Wasser halten. 

(Reuters)