Anfang des Monats hatte die EZB ihr Inflationsziel auf 2 Prozent angehoben und versprochen, "energisch oder beharrlich" zu sein, um dieses Ziel zu erreichen. Nun besteht die Herausforderung für die Geldpolitiker nun darin, deutlich zu machen, was ein solcher Ansatz für Zinssätze und Anleihekäufe bedeutet. Unstimmigkeiten traten bereits zutage, als Entwürfe einer möglichen Formulierung zirkulierten, wie Bloomberg letzte Woche berichtete.

Notenbankpräsidentin Christine Lagarde hatte die Spannung noch erhöht, indem sie bei ihrer Pressekonferenz "interessante Variationen und Änderungen" bei der geldpolitischen Erklärung vom Donnerstag versprach. Sie räumte auch ein, dass die bei der Strategieüberprüfung erreichte Einstimmigkeit bei der Implementierung schwer zu wiederholen sein wird.

Forward Guidance, die Sprache, die Zentralbanken verwenden, um den zukünftigen geldpolitischen Kurs zu beschreiben, ist zu einem wichtigen Instrument in Zeiten der Unsicherheit geworden. Sie dient dem Ziel, Marktspekulation zu verhindern, die die Volatilität erhöht und die Wirtschaft in Mitleidenschaft zieht.

Während Investoren nicht erwarten, dass die EZB die Zinssätze oder die beiden Hauptprogramme zum Ankauf von Vermögenswerten sofort ändert, suchen sie nach Hinweisen, wie sich die Massnahmen, ihre Dauer und Intensität verändern könnten, wenn die Pandemiekrise abebbt.

Die Zentralbank sieht sich mit beschleunigter Inflation konfrontiert, hinter der sich ihrer Auffassung nach jedoch eine unterschwellige Schwäche verbirgt. Nun muss sie Investoren und die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass sie ihre Politik weder zu früh straffen und die Erholung abwürgen noch die Preiszuwächse ausser Kontrolle geraten lassen wird.

Zinssätze

Geltende Forward Guidance: "Der EZB-Rat geht davon aus, dass die EZB-Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, bis er feststellt, dass sich die Inflationsaussichten in seinem Projektionszeitraum deutlich einem Niveau annähern, das hinreichend nahe, aber unter 2 Prozent liegt, und dass sich diese Annäherung in der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation durchgängig widerspiegelt."

Die Zinssätze - mit einem Einlagensatz von -0,5 Prozent auf einem Rekordtief - wurden in der Strategieüberprüfung als primäres Instrument der EZB bestätigt, und die Guidance zu diesen ist eng mit der Inflationsentwicklung verbunden. Während die Guidance sich definitiv ändern wird, um die Zieländerung widerzuspiegeln, suchen einige Ökonomen nach präziseren Signalen für die postulierte Beharrlichkeit.

Nick Kounis von ABN Amro erwartet, dass die EZB andeuten wird, dass die Zinsen länger auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, als Investoren derzeit erwarten. Die Märkte preisen die erste Erhöhung um 10 Basispunkte für Ende 2023 ein.

Marchel Alexandrovich von Jefferies prognostiziert eine Zusicherung, dass die Finanzierungskosten nicht vor 2023 steigen werden. "Die EZB sollte keine Unklarheit darüber dulden, was mit den Zinssätzen in den nächsten 18-24 Monaten passieren könnte", sagte er in einer Note.

Jüngste Äusserungen von EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel deuten darauf hin, dass die Guidance eher an die tatsächliche Inflation als an den Ausblick der Zentralbank gekoppelt sein könnte, so Gilles Moec von AXA Investment Managers.

Schnabel sagte letzte Woche in einer Rede, dass "höhere Inflationsaussichten sich sichtbar in der tatsächlichen zugrunde liegenden Inflationsdynamik widerspiegeln müssen, bevor sie eine fundamentalere Neubewertung des mittelfristigen Inflationsausblicks rechtfertigen."

Das könnte ein deutlicher Hinweis sein. Sie sagte diesen Monat, dass Preisanstiege eine "vorübergehende Zeit" lang "moderat" über dem Zielwert liegen müssten - weniger als eine Woche bevor die Strategieüberprüfung mit fast genau der selben Formulierung veröffentlicht wurde.

Anleihekaufprogramm

Geltende Guidance: "Der EZB-Rat geht weiterhin davon aus, dass die monatlichen Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des APP so lange fortgesetzt werden, wie dies für die Verstärkung der akkommodierenden Wirkung seiner Leitzinsen erforderlich ist, und dass sie beendet werden, kurz bevor er mit der Erhöhung der EZB-Leitzinsen beginnt."

Das ursprüngliche Anleihekaufprogram APP der EZB steht im Schatten des 1,85 Billionen Euro schweren Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP). Beide Programme verfolgen jedoch eine ähnliche Strategie: Sie kaufen Schuldtitel, um die Kreditkosten niedrig zu halten und sicherzustellen, dass sich der Abstand zwischen den Renditen in stärkeren und schwächeren Volkswirtschaften - die Spreads - nicht zu sehr ausweitet.

Die Guidance für das APP ist relativ vage. Wenn der Rat also andeuten will, dass es nach dem Auslaufen der krisenbezogenen Instrumente zu einem wichtigeren Stimulierungsvehikel werden soll, gibt es hier viel Spielraum für Änderungen.

Die wahrscheinlichste Option wäre, einen Teil der Flexibilität des Pandemieprogramms auf das APP zu übertragen, in Verbindung mit einer Verlängerung des Versprechens der EZB, günstige Finanzierungsbedingungen zu erhalten, so Luigi Speranza und Kollegen von BNP Paribas. Das könnte eine Verpflichtung beinhalten, die Käufe im Rahmen des älteren Programms, das derzeit bei 20 Milliarden Euro pro Monat liegt, zu erhöhen, "zumindest für einen vorher definierten Zeitraum oder bis bestimmte Bedingungen erfüllt sind."

Die EZB könnte auch überdenken, in welcher Reihenfolge sie beabsichtigt, die Politik letztendlich zu straffen. Ökonomen von NatWest Markets, darunter Giovanni Zanni, argumentieren, dass eine Anhebung der Zinssätze, während QE fortgesetzt wird, "sinnvoll und populär sein könnte."

"Es könnte auf breiter Front Anklang finden", sagten sie. "Es könnte eine Gegenleistung geben zwischen höheren Zinsen, die der Norden wünscht, und dem Schutz der Spreads, den der Süden wünscht."

Pandemie-Notfallankaufprogramm

Geltende Guidance: "Der EZB-Rat wird die Nettoankäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme – PEPP), das einen Gesamtumfang von 1.850 Milliarden Euro hat, mindestens bis Ende März 2022 und in jedem Fall so lange weiterhin durchführen, bis die Phase der Coronavirus-Krise seiner Einschätzung nach überstanden ist."

Das PEPP ist explizit zeitlich befristet - verknüpft mit der aktuellen Krise -, so dass es nicht viele Möglichkeiten gibt, die Guidance mittelfristig anzupassen. Ein direkter Weg, mehr Unterstützung zu signalisieren, wäre die Verpflichtung, die gesamten 1,85 Billionen Euro auszuschöpfen. Im Moment sagt die EZB, dass "der Umfang nicht vollständig genutzt werden muss."

"Ein weiterer wichtiger Punkt könnte die Klärung der EZB-Definition des Endes der 'Coronavirus-Krise' sein", sagte Carsten Brzeski von ING. "Ist die Pandemie vorbei, wenn die Eurozone eine Herdenimmunität erreicht hat, oder wenn die Wirtschaft ihr Vorkrisenniveau erreicht hat oder wenn die eigenen Inflationsprognosen der EZB wieder auf dem Stand von Ende 2019 sind?"

Ein Instrument, das die EZB nicht zur Hand hat, ist das Versprechen, ihr Inflationsziel absichtlich zu überschreiten, um die jahrelange Unterperformance auszugleichen. Eine solche Guidance ist in die Politik der US-Notenbank eingebaut, die auf eine durchschnittliche Inflation abzielt - eine Strategie, die Lagarde und Kollegen nicht übernahmen.

"Es gibt keine neuen Instrumente und keine Nachbesserungsstrategie, die mit dem flexiblen durchschnittlichen Inflationsziel der Fed vergleichbar ist, warum sollten wir also erwarten, dass die EZB mit der neuen Strategie die Inflation besser auf das Zielniveau bringt?", so die Nordea-Ökonomen Anders Svendsen und Jan von Gerich. "Eine energische und anhaltende Forward Guidance ist die Antwort!"

(Bloomberg/cash)