Die EZB geht zwar davon aus, dass der Anstieg der Verbraucherpreise unter ihr Ziel von 2 Prozent fallen wird, nachdem die aktuellen Engpässe in den Lieferketten beseitigt sind und die Energiepreise wieder sinken. Angesichts der anhaltenden Pandemie und der erhöhten wirtschaftlichen Unsicherheit müsse sie jedoch wachsam bleiben, so der lettische Notenbankchef.

"Glauben Sie nicht, dass wir die Zinssätze nicht anheben oder die Unterstützung nicht verringern werden, wenn es nötig ist", sagte Kazaks in dem Interview. "Natürlich werden wir unseren Job machen." Im Hinblick auf die Notwendigkeit, Anpassungen vornehmen zu können, sagte er: "Flexibilität ist das A und O."

Die EZB hatte im Dezember beschlossen, die Notfallmassnahmen, die bei Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 ergriffen wurden, zu beenden - trotz der seit dem Auftreten der Omikron-Variante wieder vermehrt auftretenden Fälle von Covid-19.

Während die Anleihekäufe der Währungshüter allmählich auslaufen werden, hat Präsidentin Christine Lagarde bekräftigt, dass eine Zinserhöhung im Jahr 2022 unwahrscheinlich sei. Anleger zeigen sich allerdings nicht ganz überzeugt: Die Geldmärkte wetten auf eine Anhebung um 10 Basispunkte bis zum Jahresende und eine weitere bis März 2023.

Erste Hinweise am Freitag

Am Freitag anstehende Daten werden voraussichtlich zeigen, dass sich die Rekordinflation im Euroraum im vergangenen Monat etwas verlangsamt hat und nurmehr bei 4,8 Prozent lag. Nachdem französische Daten am Dienstag erste Anzeichen einer Stabilisierung zeigten, sagte der Gouverneur der Banque de France, Francois Villeroy de Galhau, dass der Höhepunkt fast erreicht sein könnte. Einen Tag später erreichte die italienische Inflation jedoch den höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt.

Die EZB prognostiziert einen durchschnittlichen Preisanstieg von 3,2 Prozent in diesem Jahr und von 1,8 Prozent in den Jahren 2023 und 2024. Doch nicht nur Kazaks warnt vor möglichen Aufwärtsrisiken für diese Prognose.

Der belgische Notenbanker Pierre Wunsch hat gar erklärt, die Projektionen zeigten, dass die EZB im Wesentlichen ihr Ziel erreicht habe und dass sie Gefahr laufe, bei der Bewältigung des Preisanstiegs hinter ihre internationalen Partner zurückzufallen.

Keine Überraschung des Marktes

Die divergierenden geldpolitischen Pfade waren im Dezember zu beobachten, als die Bank of England die Anleger mit einer Zinserhöhung überraschte und die US-Notenbank ihre Abkehr von den Krisenmassnahmen beschleunigte.

Kazaks sagte, er sei angesichts der grossen Unsicherheit mit dem aktuellen Inflationsausblick der EZB einverstanden. "Wir sollten es Schritt für Schritt angehen", sagte er. "Wir werden im März eine weitere Prognose haben, wir werden eine weitere im Juni haben, und dann werden wir sehen, wie sich die Inflation weiter entwickelt."

Eine Beendigung der Anleihekäufe bis zum Jahresende und eine Anhebung der Zinssätze Anfang 2023 - ein Gedanke, den das niederländische EZB-Ratsmitglied Klaas Knot geäussert hat - sei ein mögliches Szenario", so Kazaks. Gleichzeitig sollte die EZB es vermeiden, für Unruhe zu sorgen. "Wir sollten die Märkte nicht überraschen und sie nicht in Unkenntnis darüber lassen, was vor sich geht", sagte er. "Das schrittweise Vorgehen ist sehr wichtig.

(Bloomberg)