Dabei verweist die Wall-Street-Bank auf zu erwartende Aufwärts-Überraschungen bei der Inflation sowie Besorgnis in Bezug auf Zweitrundeneffekte.

Die EZB werde den Einlagensatz in zwei Schritten von je einem Viertelprozentpunkt im September und Dezember auf Null anheben, heisst es in einer Analyse der Ökonomen Sven Jari Stehn und Soeren Radde, die am heutigen Freitag vorgelegt wurde. Eine Anhebung bereits im Juli sei möglich, wenn der Krieg der Wirtschaft mehr schade als erwartet und es klare Anzeichen dafür gebe, dass sich der Preisdruck auf die Löhne auswirkt.

"Die jüngste Kommunikation deutet darauf hin, dass der EZB-Rat den Aufwärtsüberraschungen bei der Inflation mehr Gewicht beimisst als den Abwärtsrisiken für das Wachstum", so die Experten.

Für 2023 erwarten die Ökonomen Zinsschritte im März, Juni und Dezember. Danach rechnet Goldman mit zwei Zinserhöhungen pro Jahr, bis der Gleichgewichtssatz von 1,25 Prozent erreicht ist. Goldman sieht das Risiko, dass das Endniveau der Zinsen letztlich höher ausfallen und schneller kommen könnte. Ein deutlicher Vertrauensverlust oder ein Stopp der russischen Erdgaslieferungen indessen könnte die Normalisierung der Geldpolitik verlangsamen.

Umfrage: Erste EZB-Zinserhöhung seit mehr als zehn Jahren erst im Dezember

Ökonomen sehen dies in einer am Freitag veröffentlichten Umfrage etwas anders. Die Europäische Zentralbank wird über die Risiken für das Wirtschaftswachstum, die sich aus dem Krieg in der Ukraine ergeben, hinwegsehen, die Ankäufe von Vermögenswerten im Sommer beenden und damit die Voraussetzungen für die erste Zinserhöhung seit mehr als zehn Jahren erst im Dezember schaffen, so eine Umfrage unter Ökonomen.

Die Ökonomen nennen den Konflikt und die Inflation als die beiden grössten Gefahren für die Konjunkturaussichten, was die EZB vor ein Dilemma stellt: Wenn sie die Inflation zügelt, besteht die Gefahr, dass die Reste der Erholung von der Pandemie im Keim erstickt werden; wenn sie die Konjunkturförderung jedoch beibehält, könnte sie die Art von Inflationsspirale auslösen, die die Währungshüter unbedingt vermeiden wollen.

"Der Krieg in der Ukraine hat den beschleunigten Ausstieg der Zentralbank aus der Stimulierung definitiv in Frage gestellt”, sagte Claus Vistesen, Chefökonom für die Eurozone bei Pantheon Macroeconomics. "Aber er hat in gewisser Weise auch dazu beigetragen, indem er die kurzfristigen Inflationsaussichten erhöht hat".

Auf der EZB-Sitzung in der nächsten Woche werden keine Änderungen der Politik erwartet. Das Format der Pressekonferenz im Anschluss an die Sitzung muss noch festgelegt werden, nachdem Lagarde am Donnerstag positiv auf Covid-19 getestet wurde.

(Bloomberg)