Am Dienstag beim Arbeitgeberverband in Berlin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel dieses Tabu nun gebrochen. Die Geldpolitik sei nicht beliebig ausdehnbar, so die Kanzlerin, die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde werde sich bald dazu äussern. Merkel und Lagarde, so scheint es, stimmen ihre Kommunikation ab. Nach dem Abgang von EZB-Präsident Mario Draghi ist dies ein erster Versuch, das Verhältnis zwischen Berlin und der EZB neu zu gestalten.

In den vergangenen Jahren war Merkel stets bemüht, die Unabhängigkeit der EZB dadurch zu wahren, dass sie trotz Kritik aus den eigenen Reihen am expansiven Kurs der Geldpolitik, diese nicht kommentierte. Merkel stand schlicht an der Seitenlinie und liess die EZB genauso walten wie deren Kritiker. Nach acht Jahren expansiver Geldpolitik hat sich die Stimmung in Deutschland gegen die EZB gewendet, deren Chef die grösste Finanzkrise seit der Nachkriegszeit zu bewältigen hatte. Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble machte die Politik von Mario Draghi für den Anstieg der AfD mitverantwortlich. Die Bild-Zeitung karikierte Draghi auf der Titelseite als Dracula.

Eine Politik des Nicht-Einmischens mag sinnvoll sein, wenn alles gut läuft. In Zeiten wachsender Konflikte ist Nicht-Einmischen schlicht Ignoranz. Mit dem Abgang von Draghi und dem Antritt von Lagarde ist es an der Zeit, das Verhältnis zur EZB gerade zu rücken. Statt die EZB an den Pranger zu stellen, sollte die Politik den Wählern erklären, dass die Europäische Zentralbank keine deutsche Geldpolitik betreiben kann und dass es bei der Geldpolitik nicht um die Vermehrung von Sparvermögen geht, sondern um Währungspolitik, die austariert sein muss zwischen Nord- und Südländern, um auch im Interesse deutscher Sparer einen stabilen Euro zu sichern.

(Dieser Kommentar spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung von Bloomberg LP oder deren Eigentümern wider. Birgit Jennen ist Reporterin bei Bloomberg News.)

(Bloomberg)