Die US-Notenbank Fed hat am Dienstag wegen des Coronavirus überraschend den Leitzins gesenkt. Er liegt nun in der Spanne von 1,0 bis 1,25 Prozent - ein halber Prozentpunkt weniger als zuletzt. Bei Analysten, Strategen und Ökonomen ist das Urteil skeptisch bis negativ.

NEIL DUTTA, LEITER US-WIRTSCHAFT RENAISSANCE MACRO RESEARCH:

"Die US-Notenbank hat gerade eine Not-Zinssenkung vorgenommen, die man als Panik bezeichnen muss. Aber die Instrumente der Fed sind unvollkommen und nicht dazu geeignet, eine Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu bekämpfen. Der Markt will wissen, wie weit sich das Virus ausbreiten wird, und die Fed kann diese Frage nicht beantworten."

WIN TIN, LEITER DEVISENSTRATEGIE BROWN BROTHERS:

"Nennen Sie mich altmodisch, aber ich hätte lieber eine Zentralbank, die nicht jedes Mal den Panikknopf drückt, wenn die Börse gerade ausflippt. Ich weiss, dass viele dies gefordert hatten. Aber ich bin schockiert."

JOHN AUGUSTINE, ANLAGECHEF HUNTINGTON PRIVATE BANK:

"Die Fed reagierte proaktiv auf die Märkte, was sehr ungewöhnlich ist. Es kann auch ein Vorspiel für das März-Treffen der Fed sein. Andere Zentralbanken werden in der Zwischenzeit reagieren. Der Markt ist sich nicht sicher, wie er reagieren soll. Die Märkte machen sich etwas Sorgen wegen Zinssenkungen zwischen den normalen Treffen. Was weiss die Fed, was wir nicht wissen? Der Aktienmarkt wird volatil bleiben, bis die Coronavirus-Fälle ihren Höhepunkt erreichen. Wir befinden uns auf einem noch nie dagewesenen Gebiet für die Fed, so zu handeln. 

CARSTEN BRZESKI, CHEFÖKONOM ING DEUTSCHLAND:

"Um es offen zu sagen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde ein Impfstoff definitiv mehr helfen als eine weitere Zinssenkung".

THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:

"Die Zinssenkung muss als "Grippeschutzimpfung" verstanden werden. Bevor die Finanzmärkte und die US-Wirtschaft grösseren Schaden nehmen, schreitet die Fed ein. Das zeugt von einem energischen Vorgehen gegen etwaige schärfere Konjunkturrisiken. Weitere Zinssenkungen könnten folgen. Auch die übrigen Notenbanken werden von sich hören lassen. Die Europäische Zentralbank (EZB) steht ebenfalls in den Startlöchern. Eine baldige Senkung des Einlagesatzes um 10 Basispunkte steht aus unserer Sicht auf der Agenda. Ein deutliches Signal wäre auch eine frühzeitige Erhöhung des Emittentenlimits von 33 Prozent auf 40 Prozent für Staatsanleihenkäufe. Laut den Statuten darf die EZB bisher nur 33 Prozent der Anleihen eines Staates halten. Bei deutschen Bundesanleihen ist das Limit annähernd erreicht. Eine Änderung würde den Weg für weitere hochvolumige Anleihekäufe freimachen. Der heutige Tag macht deutlich: Notenbanken und Regierungen sind aufgrund der Bedrohung durch den neuen Coronavirus bereit zu handeln. Das ist gut so."

MATT MALEY, AKTIENSTRATEGE MILLER TABAK:

"Dies sollte auf kurze Sicht sehr positiv sein. Wenn das Coronavirus aber bewirkt, dass der Markt in den kommenden Wochen zurückkommt - was bestätigen wird, dass die Fed nicht gegen eine Gesundheitskrise ankämpfen kann -, wird es bedeuten, dass wir auf einen Bärenmarkt zusteuern."

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

"Es zeigt, dass die Zentralbanken die Corona-Krise sehr, sehr ernst nehmen. Die US-Notenbank reagiert als erste, obwohl die US-Wirtschaft am wenigsten betroffen ist. Dies macht deutlich, wie beunruhigt die Zentralbanken weltweit sind. Das signalisiert zudem, dass auch die EZB mehr machen wird. Aus ihrer Sicht wird es nicht ausreichen zielgerichtete Langzeittender bereitzustellen. Stattdessen erwarten wir eine Leitzinssenkung von zehn Basispunkten. Zudem dürfte sie das Volumen ihrer monatlichen Anleihenkäufe von 20 auf 40 Milliarden Euro für einen begrenzten Zeitraum von sechs Monaten aufstocken." 

(cash/Bloomberg/Reuters)