Die Demokraten des Herausforderers Joe Biden sehen damit Befürchtungen bestätigt, dass Trump das Weisse Haus nicht kampflos aufgeben wird - unabhängig vom Ausgang der Wahl. Hier ein Überblick darüber, wie die Wahl letztlich abseits der Urnen Gerichte und Parlamente beschäftigen könnte.

RECHTSWEG

In einigen über die Jahre von wechselnden Mehrheiten gekennzeichneten Bundesstaaten - den sogenannten Swing States - ist ein knapper Wahlausgang absehbar. Die Lage ist in Corona-Zeiten komplizierter, da sich in manchen Staaten das Auszählen der Briefwahlstimmen hinziehen dürfte. Die Möglichkeit der Briefwahl wurde laut Umfragen allerdings überdurchschnittlich oft von Anhängern Bidens genutzt. Ein knapper Wahlausgang könnte so Gerichte beschäftigen, die über die Zählung und Wertung von Stimmen entscheiden müssten.

Auch der Oberste Gerichtshof könnte letztlich eingeschaltet werden - so wie im Jahr 2000, als es um die Auszählung im Swing State Florida ging. Die Obersten Richter stoppten letztlich die Auszählung. Der Republikaner George W. Bush gewann mit gerade einmal 537 Stimmen Vorsprung den Bundesstaat vor seinem demokratischen Herausforderer Al Gore. Am Obersten Gericht hat Trump mit der jüngsten Ernennung von Amy Coney Barrett de facto eine klare Mehrheit konservativ ausgerichteter Top-Juristen geschaffen.

WAHLLEUTE-GREMIUM

Der US-Präsident wird nicht direkt gewählt, sondern über ein Gremium von Wahlleuten - dem sogenannten Electoral College. Der Gewinner muss mindestens 270 Stimmen in diesem 538-köpfigen Gremium zustandebringe, das sich am 14. Dezember trifft. Danach kommen die beiden Häuser des US-Kongresses zusammen, um die Stimmen auszuzählen und den Sieger bekanntzugeben. Dies ist normalerweise Formsache, doch könnte es diesmal anders sein. Denn die Gouverneure der Bundesstaaten müssen die Wahl-Ergebnisse ihrer Bundesstaaten bestätigen und dem Kongress melden.

In einigen Bundesstaaten könnte es wegen des schwelenden Streits über den Wahlausgang aber dazu kommen, dass die jeweiligen Parlamente andere Zahlen als der Gouverneur melden: Pennsylvania, Michigan, Wisconsin and North Carolina haben demokratische Gouverneure, die Republikaner stellen allerdings die Mehrheiten in den Parlamenten dieser Bundesstaaten. Rechtsexperten sind sich uneins, ob in diesem Fall die Zahlen des Gouverneurs ausschlaggebend sein sollten, oder der Kongress die Stimmen nicht berücksichtigen sollte. Letztlich könnten auch solche Streitfragen und sich daraus ergebende weitere Fragen und Schwierigkeiten vor dem Obersten Gericht landen.

KONGRESS ENTSCHEIDET

Falls keiner der Kandidaten die erforderliche Mehrheit im Wahlleute-Gremium zustande bringt, muss laut dem 12. Verfassungszusatz der Kongress die Wahl entscheiden. Dies könnte bei einem Patt von 269 zu 269 Wahlleute-Stimmen der Fall sein. Dann obliegt es dem Repräsentantenhaus, den Präsidenten zu wählen. Der Senat bestimmt dann den Vizepräsidenten.

(Reuters)