Dank neuer Vorstösse aus Grossbritannien herrschen unter den Brexit-Unterhändlern in Brüssel derzeit so etwas wie Frühlingsgefühle - mitten im Herbst. Möglich machen das Ideen der britischen Regierung, mit denen die Stolpersteine auf dem Weg zu einem geregelten Ausstieg Grossbritanniens aus der EU beiseite geschoben werden könnten - namentlich vor allem die Frage der irischen Grenze und der Streit über die künftigen Handelsbeziehungen.

Offiziell ist das alles noch nicht, London lässt die Vorschläge vorerst als Testballons in Brüssel steigen. Die schriftliche Ausformulierung wird nächste Woche erwartet. Der Teufel liege im Detail, warnen EU-Vertreter. Doch scheint die britische Premierministerin Theresa May gestärkt aus dem Parteitag der regierenden Tories gegangen zu sein.

Probleme wegen Irland

Grösster Zankapfel ist die sogenannte irische Frage im Austrittsvertrag. Nach dem Brexit entsteht zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland eine neue EU-Aussengrenze. Die Brüsseler Kommission, die die Verhandlungen mit Grossbritannien für die übrigen 27 Mitgliedstaaten führt, will an der neuen Grenze Kontrollen unbedingt vermeiden. Der Punkt ist so heikel, dass er in einer Grundsatzvereinbarung im Dezember absichtlich offengelassen wurde.

Die britische Regierung will die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen den beiden Teilen der irischen Insel durch eine Reihe von Verträgen mit der EU umgehen. Falls es zu keiner Lösung kommt, bedingt sich die EU eine Notfallklausel aus, die Nordirland in ihrem Zollgebiet halten würde. Allerdings bestand Grossbritannien bislang auf eine zeitliche Begrenzung dafür. Diplomaten zufolge liess die britische Seite nun durchblicken, dass man auch einer unbegrenzten Verlängerung der Klausel zustimmen könnte. Damit würde das gesamte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleiben und etwa für bestimmte Güter bei der Einfuhr EU-Zölle erheben. Solche Vereinbarungen hat Brüssel mit der Türkei, Andorra und San Marino. Der Dienstleistungssektor, in dem Grossbritannien besonders stark aufgestellt ist, wäre hier ausgeklammert.

Davon unterscheidet sich die EU-Zollunion, bei der für Güter beim Import die gleichen Zölle verlangt werden - egal über welches Mitgliedsland sie in die EU gelangen. Die Waren können dann innerhalb der Zollunion ohne weitere Kontrollen gehandelt werden. Bei einer Umsetzung der neuen Vorschläge müssten zwischen Nordirland und der Republik Irland nach dem Brexit Waren und Agrarprodukte an der Grenze nicht mehr durchleuchtet werden. Für die anderen notwendigen Kontrollen biete Grossbritannien schnelle Verfahren an, weit weg von der irischen Grenze, hiess es in EU-Kreisen.

Allerdings birgt die Konstruktion aus EU-Sicht auch Fallstricke. Befürchtet wird, dass Britannien den Vorzugszugang zur EU über Nordirland nutzen könnte, um Waren nach Europa zu schleusen. Die Güter wären wahrscheinlich auch günstiger, da das Land sich nach dem "Goodbye" nicht mehr an EU-Produktstandards oder die hohen Arbeitsauflagen halten müsste.

Handelsvertrag

Noch vor dem nächsten Brexit-Gipfel Mitte des Monats soll auch eine Erklärung zu den künftigen Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien stehen. Die ist rechtlich unverbindlich.

Kernbestandteil wird ein Handelsvertrag. EU-Ratspräsident Donald Tusk unterstrich am Donnerstag, dass eine sogenannte "Kanada +++"-Offerte für das Königreich auf dem Tisch liege. Dahinter verbirgt sich ein Freihandelsvertrag - ähnlich wie die EU ihn mit Kanada hat -, und zusätzlich ein Schulterschluss in der Sicherheits- und Aussenpolitik. Die EU will in dem Abkommen zudem keine Zölle und Quoten verankern, womit der Pakt noch über den Kanada-Deal hinausgehen würde.

Allerdings gibt es noch eine weitere Hürde: Jede Einigung muss später noch vom britischen und dem Europaparlament abgesegnet werden. Das Vereinigte Königreich verlässt die EU Ende März. Die Zeit läuft.

(Reuters)