Das dürften die Ergebnisse der 2020 durchgeführten Volkszählung zeigen, berichtete die "Financial Times" am Mittwoch unter Berufung auf mit den Daten vertrauten Personen. Das Thema sei politisch sehr sensibel. Damit werde erst in die Öffentlichkeit gegangen, wenn die Regierungsstellen einen Konsens über die Daten und deren Auswirkungen erreicht hätten. Das Statistikamt, dass die Ergebnisse veröffentlichen soll, reagierte auf Reuters-Nachfrage zunächst nicht auf den Bericht.

"Wenn China einen solchen Rückgang bestätigt, wäre das eine grosse Sache", sagte Zhiwei Zhang, der in Shenzhen ansässige Chefökonom des Finanzhauses Pinpoint Asset Management. "Das wäre viel früher, als der Markt und die politischen Entscheidungsträger erwartet haben." Bislang werde davon ausgegangen, das das weltweit bevölkerungsreichste Land ihren Höchststand im Jahr 2027 erreichen wird.

Druck auf Peking erhöhen

Ein Rückgang würde den Druck auf Peking erhöhen, Massnahmen zu ergreifen, um Paare zu ermutigen, mehr Kinder zu bekommen. Erst 2016 hatte China die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik abgeschafft - in der Hoffnung, die Zahl der Babys zu erhöhen. Seither wird offiziell eine Zwei-Kind-Politik vertreten. Damals wurde auch das Ziel gesetzt, die Bevölkerung bis 2020 auf etwa 1,42 Milliarden zu erhöhen, nachdem es 2010 noch 1,34 Milliarden waren.

Allerdings ist die Geburtenrate weiter gesunken. Das liegt zum Teil daran, dass vor allem die nach 1990 geborenen Paare in Grossstädten ihre Unabhängigkeit und ihre Karriere höher einschätzen als die Gründung einer Familie. Steigende Lebenshaltungskosten in den Grossstädten haben Paare ebenfalls abgeschreckt. "China müsste wahrscheinlich die Geburtenkontrollpolitik komplett lockern", sagte Zhang.

Tempo der Alterung beschleunigt sich

Sinkende Geburtenraten und eine schnell alternde Gesellschaft erhöhen den Druck auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und könnten die Produktivität beeinträchtigen. "Unsere Projektionen, die auf den Zahlen vor der Volkszählung basieren, deuteten bereits darauf hin, dass die Erwerbsbevölkerung bis 2030 jährlich um 0,5 Prozent schrumpfen würde, mit ähnlichen Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt", schrieben die Analysten von Capital Economics. "Ein langsameres Wachstum würde es schwieriger machen, die Vereinigten Staaten wirtschaftlich einzuholen. Und es könnte auch einen Einfluss auf Chinas globales Ansehen haben."

Während sich das Tempo der Alterung in China beschleunigt, zeigt die US-Bevölkerung positive Veränderungen, wie aus einem Arbeitspapier der chinesischen Zentralbank hervorgeht. Darin werden Vorhersagen der Vereinten Nationen zitiert, wonach die US-Bevölkerung von 2019 bis 2050 um 15 Prozent wachsen könnte, die chinesische hingegen um 2,2 Prozent schrumpfen dürfte. "Bildung und technologischer Fortschritt können den Rückgang der Bevölkerung nicht kompensieren", warnte die Zentralbank.

(Reuters)