Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz sprach von einer historischen Einigung und einer Steuerrevolution - und verkaufte sie als seinen Erfolg. Ob die Pläne aber auch umgesetzt werden, ist noch nicht in trockenen Tüchern. Das werden die nächsten Monate zeigen.

WORAUF HABEN SICH DIE G7-LÄNDER VERSTÄNDIGT?

Herzstück soll eine globale Mindeststeuer für Grosskonzerne in Höhe von mindestens 15 Prozent sein. Damit wurde erstmals eine konkrete Höhe vereinbart. Scholz sagte dazu nach dem Finanzministertreffen in London, dies seien schlechte Nachrichten für Steueroasen.

Technisch würde die Mindeststeuer auf Gewinne im Ausland anfallen. Jede Regierung könnte zwar noch ihre eigenen Sätze festlegen. Zahlt ein Konzern im Ausland aber beispielsweise zwölf Prozent, könnte das Heimatland des Unternehmens die Differenz zur Mindeststeuer verlangen.

WARUM IST EINE MINDESTSTEUER EIN THEMA?

Multinationale Konzerne haben in den vergangenen 30 Jahren immer grössere Teile ihres Gewinns aus Patenten, Software oder Lizenzeinnahmen, die auf geistigem Eigentum basieren, in Steueroasen verlegt. Sie zahlen so vergleichsweise wenig Steuern - oft deutlich weniger als kleine und mittelständische Firmen. In Europa locken vor allem Irland, Luxemburg und die Niederlande Konzerne mit niedrigen Steuersätzen.

WER SIND BISLANG DIE VERLIERER?

Viele Staaten mit durchschnittlichen oder höheren Unternehmenssteuern - wie Deutschland und Frankreich - entgehen beträchtliche Einnahmen. Geld, das nun etwa zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie fehlt. Auch viele Schwellenländer fordern seit langem Änderungen. Denn Länder wie China, Brasilien und Indien sind riesige Märkte für Grosskonzerne, in denen gigantische Umsätze erzielt werden - die Steuern dann aber woanders anfallen.

SOLL DIESES UNGLEICHGEWICHT VERÄNDERT WERDEN?

Ja, zumindest zum Teil. In der G7-Einigung ist von einer Art 20/10-Regelung die Rede, die die sogenannten Marktstaaten - oft sind das Schwellenländer - besserstellt. Sie soll für die grössten und profitabelsten Konzerne der Welt mit einer Gewinnmarge von mindestens zehn Prozent gelten. Oberhalb dieses Wertes sollen 20 Prozent der Gewinne in den Marktstaaten bleiben, also dort, wo die Umsätze tatsächlich gemacht werden.

WER HAT JETZT FÜR DEN DURCHBRUCH GESORGT?

Auch wenn Deutschland und Frankreich seit Jahren für eine solche Regelung gekämpft haben, verweisen Experten auf die USA. Die jetzige Einigung spiegele die Vorschläge der US-Regierung wider und sei für sie ein voller Erfolg, sagte die Steuerexpertin Manal Corwin aus dem Washingtoner Büro der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Die neue Steuerlogik richte sich nicht nur gegen Digitalkonzerne, von denen die grössten ihren Sitz in den USA haben. Ausserdem werde nur gegen die grössten und profitabelsten Firmen vorgegangen. Hier hätten die USA ihre Ziele vollständig erreicht.

WER MUSS NUN NOCH ZUSTIMMEN?

Die G7-Vereinbarung muss nun im grösseren G20-Kreis mit den wichtigsten Schwellenländern Bestand haben und auch in ganz Europa noch zum Konsens werden. Scholz sagte, es müsse jetzt alles darangesetzt werden, um schnell einen Vertrag aus der G7-Einigung zu machen. "Das ist jetzt ein Zug, der sich in Bewegung gesetzt hat. Er wird nicht mehr aufzuhalten sein. Ich gehe davon aus, dass alle aufsteigen." Mit Blick auf Irland, wo ein Steuersatz von 12,5 Prozent gilt, sagte Scholz, die Insel werde auch weiter Investitionen und Jobs grosser ausländischer Konzerne anlocken können.

Im Juli treffen sich die G20-Staaten in Venedig. Dann dürfte sich zeigen, ob die G7-Einigung die Zustimmung der Schwellenländer findet. US-Finanzministerin Janet Yellen sagte, einige Details müssten noch ausgearbeitet werden, etwa der zeitliche Ablauf bei der Besteuerung. Sie zeigte sich aber zuversichtlich, auch bei G20 eine Übereinkunft hinzubekommen.

WIE VIEL GELD BRINGT DIE MINDESTSTEUER DEM STAAT?

Experten können dies noch nicht genau beziffern. "Sie wird viele Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen in die Staatskasse spülen", sagte Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, der "Augsburger Allgemeinen". "Deutschland gehört zu den grössten Gewinnern der globalen Mindestbesteuerung." Das Abkommen werde vor allem den Mittelstand gegenüber dem unfairen Wettbewerb multinationaler Konzerne schützen und damit auch Arbeitsplätze in Deutschland sichern. Einer Studie zufolge dürften der Europäischen Union zusätzlich 50 Milliarden Euro durch die Mindeststeuer zufliessen.

(Reuters/cash)