Seit Wochen sitzen Banker wegen der Corona-Pandemie im Home Office und handeln vom Küchentisch oder Wohnzimmer aus mit Wertpapieren, Devisen oder Anleihen. Die Aufsichtsbehörden haben wegen der Ausnahmesituation die Handelsregeln gelockert, denn eigentlich müssen diese milliardenschweren Geschäfte in den Räumen der Banken abgewickelt werden.

Den Geldhäusern treibt die Situation dennoch Sorgenfalten auf die Stirn: Sie fürchten, dass Mitarbeiter laxere Kontrollen ausnutzen und neue Handelsskandale drohen. Die Mitarbeiter, die über die Einhaltung der Regeln wachen, sind schliesslich weit weg.

"Das Compliance-Personal kann nicht über die Flure schlendern und schauen, was tatsächlich passiert und Gesprächen lauschen", sagt Rachel Sexton vom Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY in London. "Es sind schwierige Zeiten und viele Unternehmen werden kämpfen müssen. Es gibt einen Anreiz, die Bilanzen zu frisieren."

Compliance hält nicht Schritt

Um das zu verhindern, habe das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen einige seiner eigenen Mitarbeiter in Banken entsandt. Denn dort kommt das Compliance-Personal oft nicht mehr hinterher.

Die Kontrolleure müssten prüfen, welche Regeln sich geändert hätten, zudem sei ein Teil der Mitarbeiter aus den Compliance-Abteilung abgezogen und etwa in Call Center versetzt worden, um die Flut an Kundenanfragen nach Kreditstundungen oder neuen Darlehen zu bewältigen, beschreibt Sexton die Engpässe. Das Arbeitsaufkommen für die verbliebenen Kollegen steige.

Ein Compliance-Verantwortlicher eines grossen Brokers, der namentlich nicht genannt werden wollte, räumt ein, dass einige Kontrollmöglichkeiten im Home Office schlicht nicht gegeben seien.

Die Versuchung ist gross

Die Banken sind gebrannte Kinder. Diverse Handelsskandale in den vergangenen Jahren kosteten sie Milliarden an Strafen. So wurden etwa Referenzzinsen wie der Libor oder die Devisenmärkte manipuliert. Um neue Skandale möglichst zu verhindern, haben die Geldhäuser die Zahl der Kontrolleure aufgestockt und den Mitarbeitern die richtigen Verhaltensweisen eingetrichtert.

Auch in normalen Zeiten gibt es schwarze Schafe, die auf der Suche nach Handelsgewinnen und angetrieben durch die Hoffnung auf hohe Boni Regeln missachten oder umgehen. Daher werden etwa Telefonate in den Handelssälen aufgezeichnet, um geheimen Absprachen auf die Schliche zu kommen.

Doch wie können Banken und Broker sicherstellen, dass Händler zu Hause nicht einfach zum Privat-Handy greifen? Und wie stellt man sicher, dass auch dort die Transaktionen klar dokumentiert werden?

Nötige Technik nicht vorhanden

Die nötige Technik war bei den Händler zuhause oftmals nicht vorhanden. Sein Unternehmen habe von Anfang März bis Mitte April 10'000 Systeme zur Sprachaufzeichnungen in den Wohnungen von Händlern in den USA und Europa installiert, berichtet Tim Carmody vom US-Dienstleister IPC.

"Wir haben gesehen, welche Kunden darauf vorbereitet waren und welche etwas ins Schlingern geraten sind", sagt er. Grosse Banken mit tiefen Taschen hätten Hunderte, wenn nicht gar Tausende Systeme in den Wohnungen ihrer Mitarbeiter installiert, während kleinere Institute sich schwer getan hätten.

In den meisten Fällen hätten die Aufsichtsbehörden Verständnis, wenn dabei nicht immer alles rund laufe, sagt der Compliance-Verantwortliche des grossen Brokers. Die Institute hätten die Behörden um Zusicherungen gebeten, dass ihnen nach der Pandemie nicht doch Sanktionen drohen.

Schliesslich habe es durchaus Schwierigkeiten bei Transaktionen aus dem Home Offie heraus gegeben, etwa bei der Platzierung von grossen Aktienpaketen (block trades). Aber nur die amerikanische Derivate-Aufsicht CFTC habe wirkliche Erleichterungen bei Problemen mit der Sprachaufzeichnung geschaffen. 

(Reuters/cash)