cash.ch: Wie investiert man jetzt in der Schweiz am besten in Immobilien?

Donato Scognamiglio: Attraktiv sind gewöhnliche Mehrfamilienhäuser an guten Lagen, in denen die Wohnungsmieten nicht zu hoch sind. Indirekt kann auch über Aktien von kotierten Immobiliengesellschaften oder über Fonds in Immobilien investiert werden.

Wohnblocks sind jetzt also das wahre Betongold?

In der Coronakrise kaufen die Leute Kartoffeln, aber kaum Luxusuhren und Autos. Wohnen müssen Menschen immer. Und Wohnungen mit vernünftigen Mieten, an guter Lage, sind wie Kartoffeln. Das ist die Grundversorgung. Dort werden auch die Mieten nicht gross sinken – ausser, wenn sie dem Referenzzins angepasst werden.

In der Schweiz ist in den vergangenen Jahren aber viel gebaut worden, auch viele neue Wohnungen. Aus jetziger Sicht: Zu viele?

Wer Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus-Neubau an peripheren Lagen mit bereits hohen Leerständen anbietet, muss seine finanziellen Vorstellungen herunterschrauben. Die Mieten bei solchen Objekten, die neu auf den Markt kommen, werden im Gegensatz zu den Bestandsmieten sinken. Wir werden ja auch weniger Einwanderungen haben. Auch bei Eigentumswohnungen beobachten Verkäufer, die bei ihren Objekten potentiellen Käufern nun einmal mit 50'000 Franken entgegenkommen. 

Was erwarten Sie für die Leute, die Hypotheken ausstehen haben? Der Markt ist in den letzten Jahren stark gewachsen.

Wer seine Zinsen und Amortisationen stetig bezahlt, muss sich wenig Sorgen machen. Sollten die Eigenheimpreise aber auf breiter Front ins Rutschen kommen - und davon gehen wir zum Glück aktuell nicht aus - besteht das Risiko, dass die Hypothekarschulden höher sind, als 80 Prozent des Marktwertes der Liegenschaft. Der Eigentümer müsste in einer solchen Situation auch bei einer Fixhypothek, zusätzlich Kredite zurückzahlen. Eine Rezession kann tiefere Immobilienbewertungen mit sich bringen. Auch bei der Tragbarkeit von Hypotheken wird es unter Umständen zum Problem, wenn Leute plötzlich nur noch 80 Prozent ihres ursprünglichen Lohns verdienen. Im Vorteil sind jene, die ihr Haus mit relativ viel Eigenkapital finanziert haben. Diese überleben allfällige Wertkorrekturen problemlos.

Der Immobilienmarkt hat trotz allem immer noch ein gutes «Image» und gilt als einer jener Teile der Wirtschaft, die am wenigsten unter der Krise leiden werden – teilen Sie diese Einschätzung?

In der momentanen Krise haben sich bis jetzt vor allem die Börsenkurse bewegt. Diese nehmen vorweg, dass von einer Abwertung bei Geschäftsimmobilien auszugehen ist. Beim privaten Wohneigentum werden kleinere Objekte begehrter: Wenn die Leute wegen Kurzarbeit nur noch 80 Prozent verdienen, werden sie eine niedrigere Hypothek wollen. Eine lange Rezession und stark ansteigende Arbeitslosigkeit sprechen grundsätzlich nicht für steigende Immobilienpreise.

Kommen institutionelle Immobilieninvestoren wie Versicherungen und Pensionskassen mehr unter Druck?

Die Politik hat entschieden, dass Immobilieneigentümer die Krise mitfinanzieren müssen. Dies betrifft jene, die viele Liegenschaften haben mit Läden, Restaurants, welche schliessen mussten. Es ist zu Mietzinsstundungen und Mietzinsnachlässen gekommen. Immobilienbesitzer gehen deswegen nicht Konkurs. Aber die Lage wird zu weniger Cash Flow im 2020 und allfälligen Wertkorrekturen führen. Im Unterschied zu privaten Eigentümern haben Versicherungen und Pensionskassen aber den Vorteil, dass sie Eigenmittel anlegen und nicht auf Hypotheken angewiesen sind.

Wie ernst nehmen Sie die Diskussion zur Frage, ob die massenhafte Erfahrung des Home Office zu weniger benötigter Bürofläche führt?

Wir gehen davon aus, dass während der Dauer von Corona aufgrund der notwendigen Abstandsregeln der Flächenbedarf im Bürobereich nicht sinkt. Für die Zeit nach Corona rechnen wir aber damit, dass weniger Büroflächen pro Mitarbeiter nachgefragt werden. Man hat jetzt erlebt, dass Home Office funktioniert, obwohl es natürlich gewisse Nachteile gibt. Viele Firmen, die vorher skeptisch dazu gestanden sind, werden Home Office an ein bis zwei Tagen pro Woche einführen.

Wie schnell kommt das?

Sehr schnell. Ich wäre überrascht, wenn die meisten Firmen in der Schweiz nicht schon an einem Konzept zur Einführung von Home Office sind. Umfragen zufolge wollen viele Leute einen oder zwei Tage pro Woche daheim arbeiten. Technologisch funktioniert das Home Office. Was den Leuten fehlt, ist sozialer Kontakt. Dieser lässt sich aber auch ausserhalb eines Büros organisieren.

Wird der Wert von Büroliegenschaften deutlich sinken?

Insgesamt gehen wir kurzfristig nicht mehr von steigenden Werten bei Geschäftsliegenschaften aus. Drei 'Hebel' haben einen Einfluss auf den Immobilienwert: Die Einnahmen, die Ausgaben und die Rendite beziehungsweise der Zins. Die Risikoszenarien vor der Coronakrise gingen immer von einem Zinsanstieg aus. Was jetzt passiert ist: Es knallt nicht auf der Zinsseite, sondern auf der Einnahmenseite. Und es kann sein, dass wir mittelfristig auch mit höheren Kosten, das heisst, einer Inflation rechnen müssen.

In einem cash-Interview sagten Sie 2017 einen Zinsanstieg innerhalb von fünf Jahren voraus. Können wir nicht mittlerweile sagen: Die Zinsen bleiben sozusagen auf ewig tief?

'Ewig' ist ein heikler Begriff in der Finanzwelt. Hätten wir vor vier Monaten gesagt, dass die ganze Schweiz Home Office macht: Jeder hätte gesagt, dass das nicht denkbar sei. Brexit, die Wahl von Donald Trump: Man sagte, es sei nicht denkbar. Wenn alle sagen: 'Das ist ewig so', müssen wir durchrechnen, was passiert, wenn es anders kommt. Wir lassen uns im Moment einmal mehr durch Gratisgeld retten. Die Schulden müssen aber irgendwann bezahlt werden. Ein Risiko ist etwas, was unerwartet eintritt.

Donato Scognamiglio ist CEO und Mitinhaber der Immobilienberatungsfirma IAZI in Zürich sowie Dozent und Titularprofessor an der Universität Bern.