Ist es derzeit eine gute Idee, Wohneigentum für die Wiedervermietung zu kaufen?

Martin Neff: Von der Rendite her ist es eine sehr gute Idee. Die Differenz zu Erträgen vergleichbarer Anlageformen ist sehr attraktiv.

Solche Investitionen sind nicht ohne Risiken.

Ja, aber als Anlageform bleibt es auch unter Berücksichtigung der Risiken attraktiv.

Welches sind die grössten Stolpersteine bei Buy to let, wie die Wiedervermietung von Wohneigentum auch genannt wird?

Als kleiner Investor nehme ich viel Geld in die Hand und konzentriere es auf ein einziges Objekt an einem einzigen Standort. Ich bin also nicht diversifiziert, die Wohnung muss ein Volltreffer sein, sonst habe ich ein Problem.

Das zweite Risiko ist die Liquidität der Anlageform. Wenn ich das Geld für andere Zwecke benötige, kann ich die Wohnung nicht über Nacht verkaufen oder ich muss Einbussen in Kauf nehmen. Hinzu kommt ein weiteres Risiko, welches viele Investoren nicht beachten: Auch Mieter haben Rechte. Als Investor muss ich mich mit der Vermietung auskennen, damit Buy to let ein Erfolg wird.

Wegen des Baubooms stehen viele Mietwohnungen leer.

Der Leerstand ist im Wohnungsmarkt kein wirkliches Problem. Im internationalen Vergleich ist der Schweizer Leerstand tief. Für den einzelnen Investor gibt es natürlich ein Klumpenrisiko. Wenn Sie die Wohnung beispielsweise in einer Gemeinde kaufen, wo jede zehnte Wohnung leer steht, gehen Sie grosse Risiken ein. Wenn die Wohnung ein oder zwei Jahre leer steht, müssen Sie sie sehr lange halten, damit sich die Investition auszahlt.

Die Immobilie, die ich kaufe, muss ein Volltreffer sein. Wie gelingt der?

Ein nahezu illiquider Markt mit unterdurchschnittlichem Leerstand bietet eine schwächere Rendite als ein recht liquider Markt mit hohem Leerstand. Ein Beispiel: Das Zentrum der Stadt Zürich ist ein illiquider Markt, der Aargau und Solothurn sind recht  liquide Märkte. Wer bereit ist, sich als Vermieter bei der Mietersuche zu engagieren, kann sich eine Investition in einer Agglomerationsgemeinde überlegen. Wer lieber eine ziemlich sichere, aber etwas tiefere Rendite hat, sollte sich im Zentrum umschauen

Wie wichtig ist die Grösse der Wohnung?

Letztlich entscheidet nicht die Grösse über den Erfolg, sondern der Preis, den ich pro Quadratmeter zahle. Die Grösse ist natürlich dennoch ein Faktor, ebenso wie der Ausbaustandard, das Baujahr und die Lage. Aus diesen Faktoren gilt es, eine Taktik zu entwickeln. Traue ich mir zu, in der Peripherie von Zürich eine Wohnung zu halten und gelegentlich als Vermieter dort vorbeizugehen? Wenn Sie selber nicht in der Nähe wohnen, müssen Sie solche Aufgaben delegieren – und das kostet. Viele vergessen auch die berühmten Stockwerkeigentümerversammlungen. Da kann es zu Dramen kommen, wenn wichtige Renovationen anstehen. Machen andere Stockwerkeigentümer bei solchen Vorhaben nicht mit, kann das Objekt Wert verlieren.

Buy to let rentiert, wenn mit viel Fremdkapital und zu tiefen Zinsen finanziert wird. Wie gross ist das Risiko, dass die Zinsen steigen?

Ökonomen sollten mit solchen Aussagen vorsichtig sein. Ich sage es dennoch: Das Risiko ist so gut wie null.

Man kann das Zinsrisiko ausblenden?

Eigentlich ja, sicherlich jedoch das eines raschen Zinsanstiegs.

In den letzten zwanzig Jahren wurden Wohnliegenschaften in den Zentren laufend teurer – vor allem deswegen ist Buy to let so beliebt geworden. Dürfen Käufer heute noch auf Wertsteigerungen hoffen – oder sollten sie nur mit den Mieteinkünften kalkulieren?

Es gelten ähnliche Verhältnisse wie im Aktienmarkt, da gibt es auch sogenannte Value-Investoren, die auf werthaltige Titel setzen, und solche, die nur auf die Rendite schauen. Ich würde aber jedem davon abraten, auf Wertsteigerungen zu spekulieren. Wertsteigerungen sind nicht garantiert, obwohl solche in den letzten zehn Jahren fast flächendeckend zu beobachten waren. Bei Buy-to-let-Investitionen sollte die Rendite im Vordergrund stehen. Wertsteigerungen sind nice to have, sollten aber nicht das eigentliche Motiv des Investments sein.

Was raten Sie älteren Investoren, die Wohnungen zur Wiedervermietung kaufen, weil sie mit der Rendite ihrer Pensionskasse unzufrieden sind: Die, salopp ausgedrückt, ihre Pensionskasse plündern?

Das ist keine gute Idee. In einem solchen Fall ist das Motiv nicht die erhoffte Rendite, sondern eine Einkommenssteigerung – das ist ein denkbar schlechtes Motiv für Buy to let. Anders sieht die Rechnung für 30- bis 35-Jährige aus, die mit einer Wohnung für die Vorsorge im Alter investieren. Die haben genügend Zeit, den Kredit weitgehend zu amortisieren.

Viele 30- bis 35-Jährige haben Mühe, eine Hypothek zu erhalten – sie haben zu wenig Vermögen oder ein zu tiefes Einkommen.

Ja, durch die sogenannte kalkulatorische Tragbarkeit haben die Banken den Zugang zu Hypotheken erschwert. Würden die Marktzinsen gelten, hätten mehr Leute die Möglichkeit, eine Hypothek zu bekommen, insbesondere die Jüngeren.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Handelszeitung unter den Titel: «Buy-to-let: Auch unter Berücksichtigung der Risiken attraktiv».