Ein Volksbegehren, das vom Volk eigentlich angenommen, aber von der Mehrheit der Kantone abgelehnt wird - dieses seltene Schicksal widerfuhr der Konzernverantwortungsinitiative an diesem Wochenende. Deutlicher war das ablehnende Verdikt bei der Kriegsgeschäfte-Initiative.

Die Gegner der beiden Vorlagen, darunter die namhaftesten Schweizer Grosskonzerne, sind damit mit einem blauen Auge davongekommen. Für die Rohstoffkonzerne kann das Abstimmungsresultat bei der Konzernverantwortungsinitiative gar als gelbe Karte interpretiert werden. Eine Verwarnung für das jahrelange Abwenden von der Schweizer Öffentlichkeit.

Die Rohstoffgiganten, welche die Zielscheibe der nicht immer sauberen Kampagne der Initianten darstellten, besetzen in den Top Ten der umsatzstärksten Schweizer Firmen sieben Plätze. Von den Vitols, Glencores, Cargills oder wie sie heissen hört oder sieht man jahrein, jahraus aber kaum etwas, geschweige denn von grossartigen Engagements oder Taten in Sachen Nachhaltigkeit. Plötzlich ein oder zwei hastige Interviews durch einen CEO einer dieser Konzerne im Vorfeld der Initiative in Schweizer Zeitungen – das ist nicht nachhaltig. 

Auch den börsenkotierten Schweizer Unternehmen sollte das Abstimmungsresultat eine Warnung sein. In sechs von neun Kantonen, die Firmen aus dem Swiss Market Index beheimaten, wurde die Konzernverantwortungsinitiative angenommen. Den Unternehmen gelingt es ganz offensichtlich nicht ausreichend, den Stakeholdern ihr soziales und ökologisches Handeln überzeugend dazulegen.  

Der Druck auf die Unternehmenswelt wird in Sachen verantwortungsvolles Handeln hoch bleiben. Ähnlich gelagerte Initiativen wie diejenigen von Wochenenede sind in der Schweiz in den nächsten Jahren zweifellos zu erwarten. Der "Megatrend" Nachhaltigkeit wird zudem durch die neue Regierung in den USA weiteren Schub erhalten, denn bei Joe Biden haben Themen wie Klima und Menschenrechte einen ganz anderen Stellenwert als bei Donald Trump.

Schliesslich widerspiegelt sich die ESG-Thematik (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) schon längst im Investitionsverhalten an den internationalen Finanzmärkten. In Exchange Traded Funds, die sich ESG-Investments auf die Fahne geschrieben haben, flossen 2020 bislang über 50 Milliarden Dollar neue Kundengelder – das ist doppelt so viel wie im letzen Jahr um diese Zeit. "ESG ist gekommen, um zu bleiben", sagte kürzlich Michael Strobaek, weltweiter Anlagechef der Credit Suisse. Nachhaltigkeit sei für Investoren mittlerweile derart wichtig geworden, dass das Thema bereits "Mainstream" ist.

Insofern ist das Abstimmungswochenende auch ein Wink an die Grossinvestoren in der Schweiz, namentlich an die Pensionskassen. Sie werden das Geld der Versicherten zunehmend ESG-konform investieren müssen. Und auf die Schweizerische Nationalbank und ihre umstrittene Anlagepolitik wird weiter heftige Kritik einprasseln. Präsident Thomas Jordan will innerhalb der SNB neuerdings ja eine Fachstelle Nachhaltigkeit aufbauen. Das wird bei weitem nicht reichen.