"Wir wollen keinen Krieg", sagte Wladimir Putin in Moskau, verwies aber auf russische Sicherheitsinteressen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nannte es nach dem knapp vierstündigen Gespräch mit Putin ein "gutes Zeichen", dass einige russische Truppenteile von der Grenze zur Ukraine abgezogen worden seien. Für eine derartige Truppenmassierung gebe es keinen Grund. In der gemeinsamen Pressekonferenz betonte Scholz zudem, dass es schwerwiegende Konsequenzen für Russland hätte, sollte es einen Angriff auf die Ukraine geben. "Es ist unsere verdammte Pflicht, für den Frieden einzutreten."

Putin forderte, dass die Nato jetzt und nicht erst in der Zukunft ausschliessen müsse, dass die Ukraine Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses werden solle. Die Nato habe auch frühere Zusagen gebrochen. Der Kanzler bezeichnete es dagegen mit Blick auf die Debatte über eine Nato-Beitritt als falsch, dass nun ein Krieg wegen einer Frage ausbrechen könnte, die gar nicht auf der Tagesordnung stehe.

Zugleich unterstrich Scholz, dass es Sicherheit in Europa "nur mit, nicht gegen Russland" geben könne. Er weigere sich, die gegenwärtige Lage im Ukraine-Konflikt als aussichtslos zu bezeichnen. Zwar sei Russland nicht mit den Antworten der USA und der Nato auf seine Forderungen zufrieden, aber zumindest rede man darüber.

Zuvor hatte es Berichte gegeben, dass Russland laut Nachrichtenagentur Interfax einerseits einige Einheiten an der Grenze zur Ukraine abzieht, andererseits aber grossangelegte Manöver im ganzen Land fortsetzt. In Videos des russischen Verteidigungsministeriums, die über die Nachrichtenagentur RIA verbreitet wurden, war die Verladung von Panzern und anderen Militärfahrzeugen auf Züge zu sehen.

Das Ministerium erklärte, weiteres Gerät werde mit Lastwagen abtransportiert, die Truppen würden teils in ihre Stützpunkte zurückmarschieren. Die Agentur Interfax meldete, auch von der Krim würden Soldaten zurück in ihre Kasernen beordert. Die ukrainische Halbinsel war 2014 von Russland annektiert worden.

Russland hat an der Grenze zur Ost-Ukraine mehr als 100'000 Soldaten stationiert. US-Geheimdienste hatten davor gewarnt, ein russischer Angriff auf die Ukraine könnte unmittelbar bevorstehen. Als möglicher Zeitpunkt war Mittwoch dieser Woche genannt worden. US-Aussenminister Antony Blinken kündigte an, die US-Botschaft werde aus Kiew nach Lwiw verlegt - im Westen des Landes etwa 70 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt.

Putin versichert der Ukraine weitere Gastransite

Putin verwies in der Pressekonferenz auf die grosse Bedeutung der russischen Gaslieferungen für Deutschland. Diese betrügen ein Drittel des deutschen Verbrauchs. Vor allem aber sicherten die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 wegen langfristiger Verträge deutschen Verbrauchern niedrige Gaspreise. Die Ukraine werde auch bei einer Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 Gastransitland bleiben, versprach Putin. Die Bundesregierung hatte dies zu einer Voraussetzung für die Genehmigung von Nord Stream 2 gemacht.

Scholz ging in der Frage von Sanktionen erneut nicht direkt darauf ein, dass im Falle eines Krieges auch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zum Sanktionspaket gehören würde. Alle Beteiligten wüssten aber, was auf dem Spiel stehe, fügte er hinzu. Zudem äusserte er offene Kritik an dem Vorgehen russischer Behörden gegen die Nichtregierungsorganisation Memorial, das Verbot der Deutschen Welle in Russland sowie die Verurteilung des Regimekritikers Alexej Nawalny. Putin bestätigte, dass man über die Deutsche Welle und auch den russischen Staatssender RT gesprochen habe, der in Deutschland keine Sendelizenz hat. Details wollte er nicht nennen.

Beide waren sich einig, dass es Fortschritte in der Ostukraine nur geben könne, wenn es Regelungen etwa über den Autonomiestatus und lokale Wahlen geben könnte. Scholz lobte erneut, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag versprochen habe, Gesetzentwürfe für den Autonomiestatus, die Verfassungsänderung sowie für lokale Wahlen auch in den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine in Kürze vorzulegen. Putin solle nun die russischen Unterhändler in der sogenannten trilateralen Kommission anweisen, sich "konstruktiv" zu verhalten.

Scholz sowie die EU warnten Russlands Führung davor, einer Aufforderung des russischen Parlaments von Dienstag zu folgen, die Separatistengebiete anzuerkennen. Dies würde den Minsker Prozess zur Umsetzung des Friedensabkommens beenden, sagte der Kanzler. Auch der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell warnte, dies wäre eine Verletzung des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine.

(Reuters)