Die 74-jährige frühere Notenbankchefin und ausgewiesene Arbeitsmarktexpertin bringt dafür einen grossen Erfahrungsschatz mit. Sie gilt zugleich bei den von Flügelkämpfen zwischen linken und eher moderaten Kräften geprägten Demokraten als Integrationsfigur. Der gewählte Präsident Joe Biden setzt bewusst darauf, die gesamte Partei bei der Personalie mitzunehmen.

Nach ihrer Nominierung durch den früheren Präsidenten Barack Obama rückte Yellen 2014 als erste Frau an die Spitze der Notenbank Federal Reserve. Nun dürfte die gebürtige New Yorkerin ihre lange Karriere in Washington als US-Finanzministerin krönen.

Als Fed-Chefin war sie Mitte des vorigen Jahrzehnts noch mit Aufräumarbeiten nach der grossen Finanzkrise von 2007/08 beschäftigt. Nun wird sie voraussichtlich gefordert sein, die US-Wirtschaft aus der Corona-Krise zu führen. Dabei gilt es insbesondere die Grundlage dafür zu schaffen, dass ein Millionenheer von arbeitslosen Amerikanern wieder in Lohn und Brot kommt.

Reibungsloses Zusammenspiel mit der Fed

Wegen ihrer profunden Kenntnis der geldpolitischen Zusammenhänge spricht vieles dafür, dass es zu einem reibungslosen Zusammenspiel mit der Fed kommen kann - im Gegensatz zu den Jahren der Regierung von US-Präsident Donald Trump. Dieser nahm die Notenbank immer wieder verbal unter Beschuss.

Auch zuletzt knisterte es wieder gewaltig: Die Entscheidung von US-Finanzminister Steven Mnuchin für ein Ende von milliardenschweren Corona-Hilfen stösst auf Kritik der Zentralbank. Mnuchin hatte Fed-Chef Jerome Powell geschrieben, die im Frühjahr geschaffenen Massnahmen würden nun am 31. Dezember auslaufen. Die Zentralbank solle Mittel im Umfang von 455 Milliarden Dollar an den Kongress zurückgeben.

Nun könnte Yellen bald gefordert sein, die Risse im Verhältnis zwischen der Regierung und der Fed zu kitten. Die mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger George Akerlof verheiratete Ökonomin hat in einem gemeinsamen Forschungsartikel mit ihrem Mann bereits 2004 umrissen, wie die Wirtschaft in einem Abschwung stabilisiert werden kann.

Ein wichtiges Element dabei: Geldspritzen für Arbeitslose. Zugleich hat sie bereits als Notenbankchefin 2014 mit einer viel beachteten Rede über die demokratischen Werten entgegenstehende Schere zwischen Arm und Reich die Basis für die heutige Strategie der Fed gelegt, sozial Benachteiligte stärker in den Blick zu nehmen.

Wirtschaftsberaterin unter Clinton

Die Top-Ökonomin bringt für den Spitzenjob im Finanzministerium als frühere Dozentin an den Elite-Universitäten Berkeley, Harvard und London nicht nur das nötige wissenschaftliche Rüstzeug mit. Die einstige Chefin der Notenbank von San Francisco hat bereits in den Regierungsjahren des demokratischen Präsidenten Bill Clinton als dessen Wirtschaftsberaterin gewirkt, bevor sie zur Fed zurückkehrte und 2010 zunächst zur Vizepräsidentin aufstieg. Dort sorgte sie geräuschlos dafür, dass sich die mehr als 100 Jahre alte Institution wandelte - etwa mit einer neuen Kommunikationsstrategie und einem festen Inflationsziel.

Yellen, die mit einem extravaganten und farbigen Modestil Akzente in der Washingtoner Anzugträger-Welt zu setzen vermag, gilt als konsens-orientiert, loyal und zuvorkommend. Anders als etwa der amtierende Finanzminister Mnuchin und Fed-Chef Powell weist die Vita der Ökonomin jedoch keine beruflichen Stationen an der Wall Street auf. Dies mag ihr bei eher links orientierte Demokraten zum Vorteil gereichen, die eher in Distanz zur Hochfinanz stehen.

So sieht die als linke Galeonsfigur geltende Senatorin Eizabeth Warren Yellen als "hervorragenden Wahl" für den Posten an der Spitze des Finanzministeriums. Diese habe als Fed-Chefin den Wall Street-Banken "die Stirn geboten". Doch auch wenn ihr Linke zujubeln, muss Yellen zugleich das Kunststück vollbringen, den noch von den Republikanern Trumps dominierten Senat von der Notwendigkeit neuer Konjunkturhilfen in der Covid-Krise zu überzeugen.

Obwohl sie als frühere Fed-Chefin zahlreiche Anhörungen im Kongress absolvierte, bleibt abzuwarten, ob es ihr als erste Frau an der Spitze des Finanzministeriums auch gelingen wird, Männer wie den konservativen Hardliner und republikanischen Mehrheitführer Mitch McConnell für ihre Ansichten zu gewinnen. 

(Reuters)