Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Pierre-Yves Maillard rief auf dem Bundesplatz zum Kampf für mehr Demokratie auf. Freiheit, betonte Maillard, sei kein kulturelles Konstrukt, sondern für alle Völker von elementarer Bedeutung.
Der Krieg in der Ukraine nahm Maillard zum Anlass um aufzuzeigen, dass es Diktaturen nicht lange hinnähmen, wenn Völker ihre Zukunft frei beschliessen und gestalten. Demokratie sei "ein Versprechen", das es einzulösen gelte.
"Es ist das Versprechen auf ein Leben, eine Erziehung, Arbeit und Ruhestand in Würde für alle sowie das Recht auf den Schutz von Gesundheit und Sicherheit. All dies dürfe nicht nur für einen Teil der Bevölkerung gesichert sein.
Diese Wahrheit hätten die westlichen Demokratien während der letzten Jahrzehnte allzu oft vergessen. Das habe den Diktaturen weltweit geholfen. Denn: "Freie Märkte allein machen noch keine echte Demokratie."
Maillard rief auch die Schweiz dazu auf, ihre Versprechen einzulösen, wie sie in der Verfassung verankert seien. Dazu gehörten Lohngleichheit zwischen Mann und Frau, ausreichend hohe Renten und eine existenzsichernde AHV. Er sprach sich zudem für eine Plafonierung der Krankenkassenprämien aus.
Gewohnt kämpferisch gab sich Nationalrätin Tamara Funiciello. "Nur gemeinsam sind wir stark", rief Funiciello den Kundgebungsteilnehmenden zu. Denn der erste Mai sei eine Kampfansage an die Mächtigen und Reichen, an den Kapitalismus und den Rassismus. Es sei eine Kampfansage für mehr Demokratie und Gleichstellung, gute Löhne, Renten und eine starke AHV.
Gerade die AHV sei einmal mehr unter Beschuss von rechts, kritisierte Funiciello und warnte eindringlich vor einer Erhöhung des Rentenalters für Frauen. Ein solches Vorhaben sei nichts anderes als ein Rentenabbau und habe nichts mit Gleichberechtigung zu tun.
Für Funiciello gehört in Zukunft unter anderem auch eine Arbeitszeitverkürzung aufs politische Tapet, wie sie in Bern klar machte. "Wir wollen arbeiten, um zu leben und nicht leben, um zu arbeiten", sagte die Nationalrätin.
Vorne Tradition, hinten die Jungen
Am späteren Nachmittag hatte sich in der Berner Altstadt der Kundgebungszug zum 1. Mai formiert. Vorne weg marschierten die Gewerkschaften und ihre Anhängerinnen und Anhänger, meist eher fortgeschrittenen Alters. Dieser Teil der Kundgebung zählte etwa 300 Personen.
Mit etwas Abstand folgte der linksautonome "schwarze Block", der antifaschistische Slogans skandierte. Dazu zählten ebenfalls etwa rund 300 Personen. Dahinter reihten sich viele jüngere Leute ein, die für unterschiedlichste Anliegen einstanden, etwa für die Rechte von Sanspapiers.
Auch zahlreiche Migrantinnen- und Migrantengruppen marschierten mit, darunter kurdische. Auch Fahnen des Kurdenführers Abdullah Öcalan wurden mitgeführt sowie wie ein grosses Plakat mit dem Konterfei des türkischen Präsidenten Erdogan. "You will be judged" (du wirst gerichtet werden) stand darauf.
Der Schwarze Block und seine Anhänger trennten sich beim Bundesplatz von der übrigen Kundgebung und machte sich auf zum Bahnhofplatz, wo Reden gehalten wurden. Der öffentliche Verkehr wurde behindert, vereinzelt kam es zu Schmierereien, ansonsten blieb es bis am frühen Abend friedlich.
(AWP)